Von Salzburg nach Wien
Freitag, 23. April 2023 – Etappe 8: Lunz am See -> Annaberg bei Mariazell (32 km)
Es war keine gute Nacht. Gerade als ich mich gestern zum Schlafen hinlegen wollte, zog ein heftiges Gewitter auf. Die Vorboten Wind und Blitz liessen nichts Gutes erahnen. Spätestens als der Bauer sein Auto in den Stall hineinfuhr, wusste ich, da kommt was Grosses.
Der Himmel war erhellt von Blitzen und die Windböen so stark, dass ich das schräg gestellte Fenster schliessen musste, weil ich bedenken hatte, die Windböen würden die Scharniere rausreissen. Draussen flog alles umher. Von Giesskannen, Blumentöpfen bis hin zu Werkzeug und Spielsachen etc. Das heisse, schwüle Wetter hatte es schon lange angekündigt, jetzt war die Sturmfront da.
In einem geschlossenen Raum bei 25 Grad schläft man bekanntlich nicht so gut. Entsprechend war ich noch ein wenig verknittert als ich zum Frühstück ging. Um 07:00 Uhr startete ich dann auf meine Strecke nach Annaberg bei Mariazell.
Als frommer Wandersmann folgte ich dem Via Maria bis zum Skiressort Lackenhof. Hier gibt es ein grosses Wanderwegnetzwerk und ich musste darauf achten, dass ich den richtigen Schildern folgte. Gegen 12:00 Uhr erreichte ich den Ort Trübenbach, wo ich mir, passend zur Uhrzeit, in der alten Volksschule ein Speckbrot und ein Radler bestellte.
Die ehemalige Schule wurde zu einem Restaurant umfunktioniert und so das Gebäude und die Geschichte für nachfolgende Generationen aufrechterhalten. Im Innern zeigen Fotos die alte Volksschule, den Unterricht und viele Requisiten wie bspw. ein grosser Zählrahmen. Ich finde es immer wieder interessant, solch historische und kulturelle Orte zu besuchen. Ich bewundere die Menschen, die es sich zur Aufgabe machen, diese alten Kulturgüter aufrechtzuerhalten und zu sichern. Reich wird man damit nicht, aber die Sinnhaftigkeit ist sicherlich auch eine gewisse Genugtuung. Wenn ich dann überlege, was ich so den ganzen Tag tue?
Nach einem weiteren Radler zog ich weiter. Es war windig und frisch. Als Heuschnupfenleidender nicht gerade das beste Wetter. Kaum zu glauben; gestern hatte ich noch aus allen Poren geschwitzt, heute dachte ich darüber nach, den Fleece-Pullover anzuziehen.
Über Erlaufboden erreichte ich Reith und am Lassingbach entlang ging es langsam aber sicher auf Annaberg zu. Der Himmel war wolkenverhangen und die Himmelstore konnten sich jederzeit öffnen.
Nach dieser langen Wanderetappe stand zu guterletzt noch der Kreuzweg hinauf zur Kirche bevor. Es steht nicht umsonst Berg hinter Anna! Das schöne war, dass kurz vor meinem Eintreffen die Kirchenglocken erklangen. So als ob es nur für mich wäre. Andere Wanderer oder Biker hatte ich den ganzen Tag über nicht gesehen. Meine Route ist - auch unter den Pilgern - völlig atypisch.
Erst als ich im altehrwürdigen Gasthof Meyer eintraf, war ich wieder unter Mitmenschen. Kaum hatte ich das Zimmer bezogen, startete ein heftiger Regenschauer, der den ganzen Abend nicht mehr aufhörte. Schon eigenartig; war es Schicksal oder einfach nur ein weiterer Zufall der mich heil und trocken ankommen liess?
Wenn man sich in der 350-jährigen Pilger-Gaststätte umschaut und hineinfühlt, so bekommt man ganz viel von der Geschichte mit. Ich las auch in den Neuzeit-Pilgerbüchern und war sehr erstaunt über die vielen Einträge, die nicht nur alt gebacken daherkamen. Zwei Exemplare, die mir besonders gefielen:
“Beim Wandern sieht man vieles anders.”
“Der Weg ist Dir ein guter Freund.”
Besonders der Letztere hat viel Wahres. Ich fühlte mich in all den Tagen nicht einmal einsam und es war auch nie langweilig. Es kommt immer darauf an, wie man mit der Situation umgeht.