Die Inseldurchquerung
Etappe 1
Santo Domingo – El Tablado, Küstenwanderung auf dem Königsweg, 14km, 8h, TELO
Dienstag, 29. September 2015
Lange hatte es gedauert! Doch heute ging es endlich los zur ersten Etappe unserer Inseldurchquerung von La Palma. Nachdem wir gestern das zweite Auto in El Tablado geparkt hatten, ging unsere Fahrt direkt nach Santo Domingo de Garafia. Wir waren zeitig unterwegs. Als wir um 07:00 Uhr den Frühstücksraum des Hotels betraten, waren wir noch ganz alleine. Doch wir wussten um die Vorteile des frühzeitigen Aufstehens (Olli zumindest).
Auf den kurvenreichen Strassen auf dem steilen Fahrweg hinunter nach Santo Domingo, entledigte Luca sich seiner Frühstücksmilch. Geschockt blieben wir sofort stehen. Hatten wir doch keine Ersatzkleider dabei und waren wir ein solches Verhalten gar nicht gewohnt! Mit Feuchttüchern putzten wir dann seine Kleider und anschliessend den Rest des Autos. Die übrig gebliebenen Feuchttücher müssten wohl für den Tag reichen.
Vorsichtig fuhr ich die restlichen Kurven bis zum Ortszentrum hinunter. Hinter dem Gemeindehaus fanden wir unweit der Gemeindeverwaltung einen Parkplatz. Um 11:30 Uhr starteten wir schliesslich auf der Plaza der Kirche von Santo Domingo unser diesjähriges Ferienunternehmen: Die Durchquerung von „La Isla de San Miguel de La Palma“.
Die Etappe startete bereits spektakulär mit dem Abstieg in den riesigen Barranco de la Luz. Links und rechts des Canyons befanden sich natürliche Vulkanhöhlen, in welchem sich Ziegen, Schafe oder geschützte Lagerräume befanden. Was für ein fremdes Bild für uns. Staunend wanderten wir auf dem Pfad entlang riesiger Kakteen durch den tiefen Schlund zum anderen Ende der Schlucht.
Szenenwechsel: Nach dem steilen Aufstieg befanden wir uns in Irland. Beziehungsweise in einer Landschaft, welche jener in Irland ähnlich sah. Auf einmal war die Umgebung herb und rau, jedoch nicht liebloser als zuvor. Man fühlte sich oberhalb der Steilküste wie in Irland oder am Seeufer von England. Gräser bedeckten den Grund und es blies ein fieser Wind.
Einzig die vereinzelten Kakteen, welche stur dem Wind standhielten, liessen vernehmen, dass wir uns wohl nicht in den nordischen Sphären befanden.
Um 12:30 Uhr erreichten wir ein Etappenzwischenziel: Die Windräder oberhalb von Juán Adalid. Hier gönnten wir uns eine Pause. Doch was heisst das schon mit zwei Kindern. Also, ehrlich gesagt, war es anstrengender auf die zwei aufzupassen, als gemütlich den rotweissen Wanderzeichen des GR 131 zu folgen.
Doch immerhin war danach der Bauch gefüllt und wir hatten wieder neue Energie. Diese benötigten wir hauptsächlich, um mit Emilia diverse „Wanderspiele“ zu veranstalten oder ihr Geschichten zu erzählen.
Doch es gab auch andere spannende Momente. Zum Beispiel, als wir durch dichten „Urwald“ uns durch riesengrosse Farne, Brombeerstauden und andersartige Gewächse „kämpfen“ mussten, und dabei die Strapazen der Aufstiege völlig vergassen. Oder als wir eine andere Familie auf der Strecke einholten, welche mit der 4 jährigen Lilie unterwegs auf dem Weg nach La Zarza waren. Auf dieser Wegstrecke konnten sich die jungen Fräuleins natürlich bestens unterhalten.
Doch die grosse, finale Herausforderung stand uns noch bevor: Die Durchquerung des Barranco Fagundo. Diese ist nicht zu unterschätzen, erst recht nicht wenn Mann und Frau mit zwei kleinen Kindern unterwegs sind. Der Canyon ist mit seinen pechschwarzen Höhlen einfach der Wahnsinn; anders kann man es nicht schreiben.
Über einen steilen Weg gelangt man in den Schlund des riesigen Grabens. Über zahlreiche Kehren stösst man immer tiefer in die Klamm hinein, ehe man den tiefsten Punkt erreicht, und der Weg sich steil über einen Spitzkehrenpfad wieder nach oben windet.
Immer wieder fasziniert über die Baukunst des Weges, gelangten wir langsam nach oben. Links und rechts des Pfades befanden sich natürliche Höhlen, säumten sich Kakteen oder beeindruckte uns die verschiedenfarbige Lavaerde.
Um 17:15 Uhr erreichten wir den Dorfeingang von El Tablado. Es war unsere erste Etappe und zugleich die längste und körperlich anstrengendste. Eine Kombination, die nicht wirklich optimal war insofern Emilia über Schmerzen in den Beinen klagte. Doch als wir alle im Auto sassen, eine Schokolade assen und was zu trinken hatten, war dies einerlei.
Los ging es, den steilen und kurvenreichen Weg von El Tablado hinauf zur Hauptstrasse und weiter nach Hoya Grande. Hier zweigten wir mit beiden Autos auf die Passtrasse zum Roque de los Muchachos ab. Wir mussten schliesslich eines der Autos am Ankunftsziel des nächsten Tages parken. Die unzähligen Winden hinauf auf den höchsten Punkt der Insel benötigte viel Zeit, Aufmerksamkeit und fahrerisches Können. Die Strasse schlängelte sich in unzähligen Kurven Stück für Stück der Caldera entgegen hinauf.
Nach dem Verlassen der Baumgrenze und dem Durchdringen der Wolkendecke, kamen die in der Abendsonne glänzenden Gebäude der Observatorien Galileo und deren Gebäude zum Vorschein. Hier existiere eine ganz andere Welt als unten an der Küste. Schroffe Vulkanlandschaft, mit verschiedenartig farbigen Sand- und Gesteinsformationen bedeckten den Boden. Bizarre Felsformationen, welche von Zeit zu Zeit von vorbeiziehenden Nebelschwaden verdeckt wurden, säumten die Passtrasse entlang der Caldera de Taburiente.
Lange suchten wir den Wanderparkplatz unterhalb des Mirador de los Andenes. Dieser sollte das morgige Etappenziel darstellen und hier stellten wir den Opel Corsa schliesslich ab. Erstaunt über die schlechte Qualität der Strasse fuhren wir schliesslich auf einer in der Karte „weiss“ eingezeichneten Strasse steil der LP-109 entgegen, welche eine Abkürzung zur vorher gefahrenen Strasse darstellte. Mit zunehmender Distanz, wurde die Strasse immer schlechter. Wir befanden uns in der Zwischenzeit nur noch auf einem ungeteerten Steinweg, der in engen Kurven nach unten führte.
Langsam trat die Dämmerung ein und wir befanden uns noch weit oben am Berg im Nirgendwo. Unsere grössten Sorgen waren, dass wir die Strasse nicht bis ganz unten befahren konnten; sei es aus Gründen der Strassenqualität oder eines Erdrutsches und wir die ganze Strecke wieder nach oben fahren müssten; oder, einen Platten durch die vielen spitzigen Steine einfangen, ehe wir auf eine geteerte Strasse die Zivilisation erreichen würden.
Vorsichtig tuckerten wir also die rumplige Strasse hinunter. Emilia weinte, da ihr die Schmerzen an den Beinen zusetzten. Tanja musste die Beine massieren und zum Glück hatten wir noch genügend Schokolade, um die Schmerzen zu lindern und die Kinder wieder glücklich zu machen. Tanja und mir war schon ganz bange...
Als wir den Kiefernwald erreichten, war es plötzlich noch dunkler als zuvor. Auch der Boden hatte sich geändert. Nun war der ganze Fahrweg mit einer dicken Schicht Kiefernnadeln bedeck, wodurch man sich den Untergrund nur erahnen konnte. Steine liessen sich von den Kiefernzapfen kaum noch unterscheiden und so rollten wir weiter im Schneckentempo den Waldweg runter.
Kleine Lichtblicke erhaschten wir beim Passieren von einigen Wegweisern und Schildern. Doch die dort genannten Orte und Objekte fanden wir auf unserer Karte nicht. Doch immerhin, hier kommen gelegentlich Leute durch!
Kurz vor 21:00 Uhr dann endlich die Erlösung. Wir schwenkten auf eine uns bekannte Hauptstrasse ein! Nun konnte wieder auf das Gaspedal drücken und mit Vollgas in Richtung Barlovento fahren.
Im Hotel angekommen, ging alles sehr schnell. Wir nahmen nur das nötigste mit aus dem Auto, duschten alle in Rekordzeit, sodass wir um 21:30 Uhr im schicken Speisesaal des Romanticas unseren ersten Gang des Abendessens geniessen konnten (Essen konnte man zum Glück bis 22:30, wie in den meisten Orten auf den Kanaren).
Der Hunger war gross, so auch der Durst. Noch grösser jedoch die Müdigkeit, die uns danach alle überfiel. Emilias Schmerzen wurden nicht besser, wir gaben ihr Globuli und massierten nochmals ihre Beine. Vor dem Einschlafen musste ich mir nochmals anhören, dass so eine Tages- und Tourenplanung für heute evtl. doch nicht so optimal war. Doch damit konnte ich bekanntlich gut leben. So einen ereignisreichen Tag wie diesen gibt es schliesslich nicht alle Tage, und wird allen bestimmt noch lange in guter Erinnerung bleiben. Wir planten für Emilia am nächsten Tag eine Pause ein.