Von Wien nach Budapest

Samstag, 22.06.2024 Etappe 4: Senec – Šaľa, 42 km

Donner krachte über die Dächer von Senec. Zur Abwechslung schien heute mal nicht die Sonne. Doch diese würde im Verlauf des Tages wieder zurückkommen. Am Nachmittag wurden schon wieder Temperaturen bis zu 26 Grad Celsius vorausgesagt.

Strassenkreuzung: Eine willkommene Abwechslung nach kilometerlanger, schnurrgeraden Strassenstrecke..
Strassenkreuzung: Eine willkommene Abwechslung nach kilometerlanger, schnurrgeraden Strassenstrecke..

Enttäuschenderweise wurde das Frühstück im Hotel Dolphin erst ab 08:00 Uhr angeboten. So lange konnte ich mit dem Losmarschieren nicht warten, denn heute lag eine Etappe von ca. 40 Kilometern nach Šaľa vor mir. 

Als ich den Rucksack abmarschbereit gepackt hatte, brach ein Regenschauer los, und ich beschloss, schon mal meine Regenjacke weiter oben im Rucksack zu verstauen. Auf dem Weg zur nächsten Ortschaft Kráľová pri Senci entleerte sich bereits die nächste Wolke. Es war ein typisches sommerliches Abregnen, was zu angenehmen Temperaturen führte.

Im Terno (eine grosse Supermarktkette) von Kráľová pri Senci, fand ich dann mein ersehntes Frühstück. Es bestand aus Hefeschnecke, Vanilleweggen, Croissant und heissem Cappuccino aus dem Automaten. Im Schutze eines Busstationenhäuschens genoss ich das Essen für Wanderkönige, während es um mich herum wieder heftig zu regnen begann.

Es folgte ein schöner, autofreier Abschnitt auf einer unendlich langen Kiesstrasse. Rings um mich herum war es kilometerweit flach und Distanzen waren schwer einzuordnen. Sonne, Wolken und Regen wechselten sich viertelstündlich ab, während ich durch die weiten Kornfelder schritt.

In Veľké Úľany suchte ich erneut ein Lebensmittelgeschäft auf und kaufte mir ein Sandwich, einen Milchdrink und Schokolade zum Znüni. Wiederum hatte ich Glück und ich fand noch vor dem nächsten Regenschauer einen trockenen Unterstand auf dem Kinderspielplatz, wo ich mich ausruhen und essen konnte. Als ich wenig später los schritt, kehrte langsam das Sommerwetter zurück. Die Wolken lösten sich allmählich auf, der Himmel wurde blau und die Sonne begann die Umgebung zu trocknen.

Die Wegstrecke zwischen Mostová und Horné Saliby verlief auf einem teilweise fast zugewachsenen Feldweg. Links und rechts befanden sich Kornfelder, die goldig in der Sonne leuchteten und im Horizont verschwanden. Ein Ende der grossen Flächen war nicht zu sehen. Sie verschwanden im blauen Himmel.

Wie Strassenlaternen leuchteten die Sonnenblumen unter dem regnerischen, bedeckten, grauen Himmel.
Wie Strassenlaternen leuchteten die Sonnenblumen unter dem regnerischen, bedeckten, grauen Himmel.

In regelmässigen Abständen traf ich auf Feldhasen, die sich auf dem Weg sonnten. Vermutlich war ihr Fell noch vom Niederschlag nass und auf dem Feldweg konnten sie sich besser trocknen als im Dickicht. Aber auch viele Rehe streckten ihre Köpfe regelmässig aus dem Kornfeld, um nicht von einem Feind überrascht zu werden. Oder war es das Interesse an dem Wanderer, der vorbeischritt?

Viele meiner Art kommen hier sicherlich nicht entlang! Seit ich in der Slowakei unterwegs bin, hatte ich noch keinen Artgenossen getroffen. Wer will schon hier lang gehen und weshalb? Doch es waren genau diese Momente, die ich suchte. Allein unterwegs, kein Mainstream, die Ortschaften und Dinge der “normalen“ Bevölkerung erkunden und dabei meinen Weg gehen.

Die Regenjacke kommt zum Einsatz.
Die Regenjacke kommt zum Einsatz.

Ich musste immer wieder schmunzeln, wenn ich bis auf wenige Meter an die Feldhasen oder Rehe herantrat und sie mich in letzter Minute erspähten, weil der Wind von der anderen Seite herkam und sie mich weder hören noch riechen konnten.

Auf diesen abgelegten Wegen fand ich doch tatsächlich ein Portemonnaie bzw. es war vielmehr ein Münzbeutel mit Kleingeld. Keine Ausweise, keine Geldnoten. Aber immerhin 7 Euro. Davon würde ich mir künftig an den Tankstellen einen Kaffee kaufen.

Sonnenschein und tolle Pfade :-)
Sonnenschein und tolle Pfade :-)

Ich war froh, als ich am späteren Nachmittag das Ortsschild von Šaľa passierte. Ich war bereits 11 Stunden unterwegs und hatte über 42 Kilometer Distanz zurückgelegt. Meine heutige Unterkunft hiess Hotel Central. Die Location wurde dem Namen gerecht. Das Gebäude war mitten im Zentrum des kleinen Ortes. Ringsherum war ein Jahrmarkt im Gange. Laute Musik drang von den Verkaufsständen, es gab Kinderattraktionen, eine Bühne mit Musik sowie Ess- und Trinkstände. Allgemein kam letzteres nie zu kurz. Es gab immer einen Anlass, um anzustossen in der Slowakei.

Mein Zimmer war altmodisch, klein und die Wände mit gelb-orangener Farbe angestrichen. Ein wenig wie eine kleine Zelle, jedoch sauber und schon fast heimelig. Ich liebe solche Zimmer mit Geschichte; zumindest, wenn es nur für eine kurze Zeit ist.

Das Abendessen gab es dann logischerweise auf dem Fest. Zum Dessert probierte ich einen leckeren Trdelník mit Kokosnuss-Splittern. Dies ist ein traditionelles Gebäck, das aus Skalica in der Slowakei stammt. Der Germteig hat die Form einer Rolle, da er auf Stöcken gebacken wird. Der Trdelník wird mit geschlagenem Eiweiss bestrichen und mit gehackten Walnüssen, Mandeln oder, wie meiner, mit Kokosnuss-Splitter bestreut. Ich fand es sehr lecker.

Weitere Fotos vom Samstag, 22.06.2024