Von Wien nach Budapest
Freitag, 21.06.2024 Etappe 3: Wolfsthal – Bratislava – Senec, 46.5 km
Ein letztes Mal blickte ich auf das übergrosse Zitat in weisser Schrift, welches über dem Bett meines Hotelzimmers hingepinselt war: “Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken”. Eine interessante Hypothese, die Marcus Aurelius hiermit aufstellte. Er war ein römischer Kaiser, der von 161 bis 180 lebte und durch sein philosophisches Wirken bis heute grosse Bedeutung erlangte. Ob mir heute auf der Wanderung evtl. ein halbwegs so gutes Zitat einfällt? Zeit zum Nachdenken hatte ich genügend.
Um 06:30 Uhr schritt ich los auf die geraden Streckenverläufe in Richtung slowakische Grenze. Ich hatte Glück; neben dem Fahrradweg war die Grünfläche frisch gemäht und ich konnte die meisten Kilometer bis Bratislava auf angenehmen Untergrund gehen.
Es waren auch einige Fahrradfahrer in der noch frischen, kühlen Morgenluft unterwegs und absolvierten ihr Training. Kurz vor der slowakischen Grenze überholte mich ein Fahrradfahrer, rief mir etwas zu und hob den Daumen nach oben. Ich habe zwar nicht verstanden, was er sagte, aber ich wusste genau was er meinte. Er hatte das Schweizerkreuz auf meinem Rucksack gesehen und feuerte mich an weiterzugehen. Er streckte den Daumen nochmals nach oben und trat wieder volle Pulle in die Pedale seines vollbeladenen Gravelbikes. Vermutlich war auch er schon längere Zeit unterwegs.
Bereits um 08:30 Uhr erreichte ich die Brücke mit dem bekannten Ufo - eine Aussichtsplattform auf Bratislava - am Südufer der Donau. Erwartungsvoll lief ich über die mächtige Stahlbrücke und fand mich auf der anderen Seite voll im Touristenrummel. Die Innenstadt mit den bekannten Sehenswürdigkeiten ist schnell erkundet. Im Kaffee Mondieu FRANCHISÉ No. 1 gönnte ich mir eine längere Pause und ein zweites Frühstück. Dann ging es weiter durch den Wirrwarr der verwinkelten Strassen in Richtung Osten.
Ausserhalb des Zentrums wurde viel gebaut. Überall schossen neue, moderne Hochhäuser in den Himmel. Je mehr ich mich vom Zentrum entfernte, desto schlechter wurden die Strassen und die umliegende Infrastruktur.
Die Nachmittagshitze wurde unerträglich. Ich hatte in einer Umweg-bedingten, langen Schlaufe den Flughafen von Bratislava zu umgehen. Es war monoton, langweilig und ohne Schatten. Ich musste mir ein näheres Ziel setzen, auf das ich mich konzentrieren und freuen konnte. Es sollte das Ristorante Emilia in der Ortschaft Ivanka pri Dunaji sein. Dort versprach ich mir etwas zu Essen und eine Ruhepause.
Ich kann es nicht schönreden; auch der Nachmittag entwickelte sich zur Tortur. Ich war die sommerliche Hitze noch nicht gewohnt und ich hatte das Gefühl, ich würde im aufgeweichten Teer unter meinen Schuhen kleben bleiben und darin versinken.
Bei der Ortschaft Veľký Biel hob ich die Füsse in den Baggersee, trank eine Cola und wünschte mir, ich wäre schon in Senec. Doch bis dahin waren es nochmals gute 5 Kilometer. Senec ist ein beliebter Sommererholungsort der Bratislavaer und schön am Slnečné jazerá (deutsch Sonnensee) gelegen. Es kam mir vor wie eine touristische Feriendestination in Spanien; in Lloret de Mar oder ähnlich. Ein etwas unwirklicher Ort.
Meine Belohnung gönnte ich mir im Schwimmbad des Hotels Dolphin, wo ich nächtigte. Endlich konnte ich meinen Körper abkühlen und die Füsse unbelastet im Wasser ausruhen.