Samstag, 10. April 2021 - Etappe 2: Stein - Nussbaumen (39 km)
Ich sass an diesem Morgen lange am Frühstückstisch. Schliesslich hatte ich das ganze Restaurant für mich und zudem konnte ich so viel konsumieren, wie ich wollte. Dies galt auch für den Kaffee, von dem ich an diesem Morgen nicht unwesentlich viel in mich hineinleerte.
Erst als das Tagebuch fertig geschrieben war und die Sonne langsam hinter den Morgenwolken hervorkam, machte ich mich auf zur nächsten Etappe.
Es war heute um einiges wärmer als gestern. Ein langes Sweatshirt und meine Windstopper Weste genügten. Ich musste nur die Strasse überqueren und befand mich wieder am liebgewonnenen Rheinufer, dem ich fortan weiter flussaufwärts folgte. Diesem würde ich bis Laufenburg folgen. Hier war an diesem Vormittag niemand unterwegs. Ich hatte die ganze Schönheit und Ruhe für mich.
Die Wanderung nach Laufenburg, entlang dem schmalen Pfad direkt neben dem stillen Wasser, kann ich jedem empfehlen. Zwar waren einige Abschnitte gesperrt, da umgefallene Bäume ein "normales" Vorwärtskommen verunmöglichten, doch mit Kletter- und Kraxl-Einlagen konnte man diese Stellen allemal bewältigen. Vermutlich war es verboten sich hier aufzuhalten. Doch ich hatte auf jeden Fall meinen Spass.
Morgenstund hat Fisch im Mund. Zumindest gilt dies beim Fischotter der hier auf dem breiten, ruhigen Rhein seine Heimat hat. Leider war ich zu unaufmerksam und entdeckte das Tier, welches nur gerade einen Meter neben mir im Wasser war, erst als es untertauchte. Doch wenig später erspähte ich es wieder als es auftauchte und davonschwamm.
Kurz vor Laufenburg verliess ich den Rhein und begab mich ins Aargauische Mittelland. Ein Szenenwechsel sondergleichen. Landwirtschaft pur - je weiter ich südwärts voranschritt.
In Kaisten kaufte ich noch kurz im Volg mein Mittagessen ein und schritt dann los auf den höchsten Berg weit und breit: den Schinberg! Dieser Hügel des Tafeljuras weisst zwar "nur" eine Höhe von 722 Metern auf, doch der Anstieg von 300 Metern – so rein aus Spass – muss auch erst begangen werden! Ich fragte mich unterwegs, ob dies wirklich notwendig ist. Hätte ich dieses "Hindernis" nicht einfach auf der Landstrasse umgehen können?
Erst als ich oben war, die fantastische Aussicht erspähen konnte und schliesslich meinen Weg in Richtung Sennhütten fortführte, bemerkte ich, wie genial diese Wegführung fernab des Verkehrs und den umliegenden Dörfern wirklich war.
Ich konnte dieser Route, welche sich mir später als "Fricktaler Höhenweg" präsentierte, bis Brugg folgen! Doch erst kam noch der vielversprechende Ort "Sennhütten". Ob es dort auf 633 M.ü.M. wohl Senninnen und Sennen gab?
Was es gab war eine Einkehr für das Wanderfolk – oder zu neudeutsch "take-away-corner". Für mich gab es eine Cola, denn ich benötigte Energie, um die Strecke bis nach Nussbaumen bei Obersiggenthal noch hinter mich zu bringen. Meine Füsse schmerzten schon seit einigen Stunden und ja, Blasen bildeten sich langsam. Wieso eigentlich? Früher hatte ich keine derartigen Probleme. Oder hatte ich keine so seltsamen Ideen, jeden Tag 40 Kilometer zu wandern?
Wie auch immer, der Weg hinunter nach Brugg war sehr angenehm und vielseitig. Doch der Blick auf diese Stadt liess mich schaudern. Von "oben" nicht wirklich ein schöner Anblick. Doch in der alten Innenstadt erkannte ich schon die eine oder andere Augenweide der vergangenen Jahrhunderte. Erst recht, als ich meine Füsse und Beine in einem Brunnen kühlte – und mir Zeit nahm – einen Augenschein der kulturellen Innenstadt zu Gemüte zu führen.
Doch die gewonnenen guten Gefühle wichen bald den Eindrücken des neuen Stadtinnern. Hier fühlte ich mich nicht mehr wohl. Von Drogenkonsum, Gangs, Rechtsextremismus, Hektik und zeitgemäss die Corona-Gegenbewegung war im modernen Teil der noch so angepriesenen Fachhochschul-Stadt geprägt.
Ich hatte genug für heute und nahm den Zug nach Nussbaumen bei Obersiggenthal. Problemlos hätte ich diese Stecke laufen können. Doch ich hatte einfach nicht mehr die Muse durch die vielen Wohnblöcke auf asphaltierten Stassen meinen Übernachtungsort aufzusuchen. Ich wollte noch fit sein, um mein alleiniges Hotel zu geniessen. Ja, das Hotel und Restaurant Neuhaus hat eigens für mich heute aufgemacht. Eine interessante Story, denn der Inhaber, welcher den Gasthof in der fünften Generation (!) führt, hat mir am Abend vorher zugesagt, dass er mich empfangen würde. In dieser schwierigen Corona-Zeit sei jeder Gast willkommen!
Kurz vor 18:00 Uhr traf ich in der Ortschaft Nussbaumen ein. Wie sieht wohl ein Gasthof aus, der vor über 140 erbaut worden war? In diesem Fall nicht anders als die umliegenden Hotels, doch der einzige Besucher in diesem Hotel zu sein, machte es trotzdem zu etwas besonderem. Entsprechend würdigte ich mein Nachtessen mit einem Kalbs-Cordon-Bleu und einer guten Flache Rotwein aus dem Südwesten von Spanien.