Bärentrek Trail – Hintere Gasse
Tag 1: Anfahrt: Meiringen – Reichenbachtal – Rosenlaui – Grosse Scheidegg – Übernachtung in der Hängematte
Samstag, 6. Juli 2013
Meiringen ist Hauptort des Haslitals, das sich vom Brienzersee zum Grimselpass zieht und den östlichen Beginn des Berner Alpenkamms markiert. Der Grimselpass ist Kantonsgrenze zwischen Wallis und Bern und zugleich auch Wasserscheide. Südlich fliesst das Wasser zur Rohne hin und weiter in Richtung Mittelmeer, nördlich sammelt es sich in der Aare, die durch das Haslital dem Rhein zustrebt, der in die Nordsee mündet. Meiringen zwischen den wichtigen Passübergängen von Grimsel-, Susten-, Scheidegg- und Brünigpass gelegen war schon zu keltisch-römischer Zeit eine wichtige Etappenstation; hier werde ich also mein Trekking beginnen.
Der erste Tag führt mich ins Reichenbachtal, in der Umgangssprache gern als Rosenlauital bezeichnet. Es zählt mit zu den schönsten Tälern des Berner Oberlandes. Das abgeschiedene Kleinod ist geprägt von idyllischen Almen und einem faszinierenden Gebirgszackenkamm, der das Tal im Süden flankiert. Seine ergreifende Natur hat wie erwähnt schon in den Anfängen des Tourismus viele berühmte Persönlichkeiten angezogen. Dennoch ist das Tal bis heute erfrischend jungfräulich geblieben. Weder Zweckbauten noch wuchtige Hotels stören die Idylle.
Natürlich schaute ich mir erst den berühmten Reichenbachfall an. International wurde der Reichenbachfall durch Conan Doyles Geschichte „Das letzte Problem“ bekannt, in der Sherlock Holmes am 4. Mai 1891 gemeinsam mit seinem Erzfeind Professor Moriarty nach einem erbitterten Kampf den Wasserfall hinabstürzte. Später stellte sich heraus, dass nur Moriarty abgestürzt war. Sherlock Holmes überlebte und nutzte die Gelegenheit, um seinen eigenen Tod zu inszenieren, um Sebastian Moran, einen Komplizen Moriartys, später in eine Falle zu locken. Eine Gedenktafel und ein Fotopoint erinnert an diese fiktive Begebenheit. Natürlich musste ich mich als Fan fotografieren lassen ;-)
Während ich weiter durch lichte Wälder und üppige Wiesen schreitete, reckte sich mein Hals oft um die wilden Engelhörner zu bestaunen, die ihre bleichen Felszähne in den Himmel bohrten. Da oben klettern wäre bestimmt auch spassig! Ganz klein und zerbrechlich kam man sich da vor. Um die gewaltigen Felsflanken von Well- und Wetterhorn drapierten sich zerrissene Gletscherströme und dazwischen haben stürmische Wasser die tiefe Gletscherschlucht der Rosenlaui geschaffen.
Ganz im Kontrast das liebliche Hochtal zu Füssen, welches sich bis zur Schwarzalp zieht und über die Grosse Scheidegg eine Verbindung zwischen Meiringen und Grindelwald schafft. Es schien, seit Nietzsche, Goethe und Conan Doyle hier gewandert sind, hat sich nichts geändert. Noch immer trotzte die nostalgische Jugendstilfassade des Hotels Rosenlaui unter den gleissenden Gletscherströmen des herabfliessenden Rosenlauigletschers den Wettern, wo die Herrschaften einst kurten, auftankten und sich von der Natur inspirieren liessen. Noch immer entströmte den Räumlichkeiten das Flair der Jahrhundertwende. Natürlich musste ich auch hier Halt machen und bei einem guten Fitnessteller die Stimmung geniessen. Anschliessend besuchte ich die Gletscherschlucht Rosenlaui, in welcher sich ein eindrucksvoller Pfad neben den spritzigen Wasserfällen und Grotten durch die Steilwände nach oben schlängelte.
Meine Wanderung folgte weiter auf historischen Spuren. Der Saumweg über die Grosse Scheidegg wurde einst als Handelsroute zwischen Meiringen und Grindelwald genutzt. Später, als der Tourismus in Mode kam, zählte die Strecke zur Grossen Oberlandtour, die von Interlaken über die Kleine und Grosse Scheidegg, über Meiringen und Brienzersee eine Runde schlug und sich, forciert von den ersten bereits Ende des 18. Jahrhunderts herausgegebenen Reiseführern, schliesslich als die beliebteste Sightseeing-Tour im Berner Oberland etablierte.
Ab dem Passübergang rückte die Felsbastion des Eiers immer näher. Tief unten im Talgrund der Schwarzen Lütschine sah ich schon Grindelwald. Doch für heute war genug. Nach einer überteuerten Coca Cola im Restaurant auf der grossen Scheidegg – welches ich auf Englisch bestellen musste, weil mich sonst niemand verstand, suchte ich mir einen Biwakplatz. Da das Wetter stabil zu sein schien, entschied ich mich für die Schlafvariante „Hängematte“.
Es dauerte nicht lange, bis ich bei einem kleinen See einen Übernachtungsplatz – mit den notwendigen Bäumen – ausgemacht hatte. Wasser war auch in der Nähe und die Ausrichtung versprach Sonne bis etwa 20:00 Uhr.
Es war richtig toll den Tag bei einem (mitgetragenen) guten Rotwein zu beenden und die Wanderkarten zu studieren und in einem Buch zu lesen. Zum Abendessen kochte ich mir heute Schinkennudeln, welche Olya gekauft und mitgegeben hatte.
Als die Sonne dann endgültig verschwand, war ich froh über Mütze und Windstopperjacke. Nach dem Essen ging ich dann auch sogleich in mein schaukelndes Schlafgemach.