Sonntag, 10. Juli 2022 – Glasgow: So hatten wir uns Schottland nicht vorgestellt
Mit einem Kater, dickem Kopf und geschwollenen Augen suchten wir alle das Frühstücksbuffet auf, welches ebenfalls sehr umfangreich und lecker daherkam. Doch wirklich geniessen konnten wir es nicht, da es Luca wieder übel wurde. Vom Schiffsarzt erhielten wir dann eine Reisetablette. Doch wie es sich in den nächsten Tagen herausstellte, war es Luca nicht wegen dem Schaukeln schlecht, sondern er hatte sich einen Magen-Darmvirus eingefangen.
Kurz nach 09:00 Uhr erfolgte dann der Einlauf in die Flussmündung des Tyne und wenig später die Ankunft im Hafen von Newcastle. Auch beim Off-Boarding ging alles wieder sehr geordnet und Prozessgesteuert von statten. Danach erfolgte abermals eine Grenzkontrolle, wo wir uns für die Einreise nach Grossbritannien anstellen mussten.
Doch dann, endlich, konnte das grosse Abenteuer beginnen! Wir verliessen Newcastle upon Tyne und fuhren auf der A69 ins Landesinnere. Bei Carlisle wechselten wir auf die A74 und fuhren kurz später hinüber ins nördlichste Land von Grossbritannien: Schottland wir sind da!
Das heutige Ziel war die Hafenstadt Glasgow. Dort hatten wir nahe dem Zentrum ein Apartment für die heutige Nacht gebucht. Doch als wir das Viertel der Grossstadt erreichten war uns nicht mehr so wohl. Dreck und Abfall überall, komische Gestalten, die durch die Strassen zogen, demolierte Gebäude und Autos und ein enorm schmuddeliges Ambiente, wohin man schaute.
Nun; gerade hier lag unser Nachtquartier. Im dritten Stock eines 70er Jahre alten Gebäudes mit unzähligen versifften Wohnungen. In den Gängen stank es nach Urin, nur noch eine Liftanlage funktionierte, die Wände ringhörig und die Leute, die hier lebten, waren eher von der unteren Schicht. Teilweise waren die Wände eingeschlagen, die Kabel in den Gängen hingen hinunter und so mancher entsorgte seinen Abfall in einer Seitennische des Gebäudes.
Doch man kann nicht immer punkten. Heute hier – morgen da. Und eine neue Unterkunft mit Parkplatz und zu einem angemessenen Preis zu finden wäre hier in Glasgow extrem schwierig geworden. Da wir nichts im Auto lassen wollten, schleppten wir all unser Gepäck in den dritten Stock in "unsere" Wohnung. Ein Schweizer VW-Bus lenkt schon ohne Inhalt die Aufmerksamkeit auf sich.
Dann starteten wir los, um die Innenstadt von Glasgow zu erkunden. Wie erwähnt, lag unsere Wohnung nicht weit vom Zentrum entfernt und wir konnten zu Fuss losmarschieren. Nur wenig später befanden wir uns in der Innenstadt. Doch auch hier war es dreckig, versifft und viele Leute hatten ein Alkoholproblem.
Wir waren erstaunt, wie wenig Schamgefühl und Lebensstil die Leute hier hatten. Viele von ihnen kleideten sich wie die Playboy-Girls aus dem Magazin, obwohl einige davon äusserst dickleibig waren. Die "Selbstsicherheit" im Auftreten in Kombination mit der Kleider- und Haarmode brachte uns immer wieder zum Staunen und Schmunzeln.
Aber es gab auch erfreuliche Erlebnisse und Kontakte. So suchten wir lange nach einem Restaurant, wo wir etwas anderes als Burger, Frittiertem oder Pizza bekamen, was sich gar nicht als so einfach herausstellte. Auf jeden Fall fanden wir auf der Terrasse im Restaurant la Vita einen schönen Platz. Doch dort warteten wir und warteten wir, da uns niemand bedienen wollte.
So wollten wir schon wieder aufbrechen, was unsere Tischnachbarn, ein älteres Ehepaar, mitbekamen. Sie meinten, dass dies nicht gehe, dass wir nicht bedient werden, schliesslich sind die Schotten ein gastfreundliches Volk, welches alle Besucher herzlich willkommen heisst.
Die Dame vom Nebentisch ging zur Kellnerin, um mit ihr zu reden und kurz darauf wurde umgehend unsere Bestellung aufgenommen. Unsere Tischnachbarn übernahmen sogar unsere Getränkerechnung und zusammen wurde nochmals auf unseren Besuch in Schottland angestossen. Ein sehr positives Erlebnis in der Stadt Glasgow, welche uns jedoch nicht überzeugen konnte und wir nicht ein zweites Mal besuchen würden.
Montag, 11. Juli 2022 – Die Schlucht von Finnich Glen
Raus aus dem Gebäude, wo wir nächtigten und raus aus Glasgow war heute Morgen die Devise! Unser Auto war glücklicherweise noch da und unversehrt. In mehreren "Runden", schleppten wir unser Gepäck wieder hinunter und räumten das Auto neu ein. Bereits kurz nach 09:00 Uhr überquerten wir den Fluss Clyde und fuhren nordwärts aus der Stadt hinaus.
Unser heutiges Etappenziel war die Ortschaft Balloch, welche am Seeende von Loch Lomond (Loch ist Gällisch und bedeutet See) liegt. Auf dem Weg dorthin, besuchten wir jedoch erst die Schlucht von Finnich Glen, welche über eine steile Steintreppe erreichbar ist.
Wir planten diese kurze Flusswanderung bereits im Vorfeld und fügten aufgrund verschiedener Erfahrungsberichte unsere Wassersandalen dem Reisegepäck hinzu. Denn um in dem Fluss zwischen den steilen Felswänden durch die vielen Wasserbecken voranzukommen, musste man schon mal Beckentief eintauchen.
Der Weg hinunter durch den Wald war steil und nicht ungefährlich. Das lag auch daran, dass wir nicht den offiziellen Pfad benutzten, welcher – wie sich später herausstelle – sich auf der anderen Talseite befand.
Auf jeden Fall befanden wir uns nun in der tiefen Schlucht. Um uns herum ragten hohe Felsformationen in den Himmel, welche weit oben durch Bäume bedeckt waren. Wir wechselten die Wanderschuhe mit unsern Wassersandalen, zogen unser Hosen aus und stiegen in der Unterwäsche im Flussbett stromaufwärts.
Es war ein richtiges kleines Abenteuer, durch die engen Schluchten sich den geeignetsten Weg zu suchen. Die Wassertiefe variierte jeden Meter; konnte man gerade noch knietief stehen, so wusste man nicht, was der nächste Schritt mit sich brachte.
Die verschiedenen diffusen Farben der sich im Wasser befindlichen Steine, die moosbehafteten Felswände, das Spiegeln des Himmels in den Basserbecken und das weisse Schäumen der Wasserfälle machten diesen Platz zu einem mystischen Ort. Dies fanden auch die Produzenten der Serie «Outlander», welche dort einzelne Filmszenen drehten.
Irgendwann kamen wir schliesslich nicht mehr weiter Flussaufwärts. Die Flussbecken waren zu tief, um ohne ein komplettes Eintauchen oder Schwimmen überquert zu werden. Auch wurde es uns so ganz ohne Anzug in dem schottischen Gewässer langsam kalt.
Schliesslich fanden wir auch die "Steintreppe", welche den Abenteurer auf sicherem Weg aus der Schlucht führte. Sie war schon sehr in Mitleidenschaft gezogen worden, doch angebrachte Fixseile erleichterten den Aufstieg.
In der Sonne wärmten wir uns erst einmal auf und assen unser mitgebrachtes Picknick. Dann ging die Fahrt nach Balloch weiter. Hier quartierten wir uns im Sunnyside B&B bei Mr. and Mrs. Smith für die nächsten zwei Nächte ein. Ein richtiges B&B wie man es sich vorstellt. Die Leute freundlich, zuvorkommend, die Anlage gepflegt und alles schön sauber.
Wir unternahmen noch einen Ausflug ins Zentrum von Balloch und assen anschliessend im Restaurant "The Pier" zu Abend.
Dienstag, 12. Juli 2022 – Wanderung Loch Lomond und Conic Hill
Beim Sunnyside B&B kann sich jeder Gast am Abend zuvor sein Frühstück selbst zusammenstellen. Von der kontinentalen Version bis hin zu Croissant und Kaffee, wird auch ein typisches schottisches Frühstück serviert. So eine "schwere" Platte beinhaltet Toast, Rühr- oder Spiegelei, Speck, Würstchen, gebackene Bohnen in Tomatensauce, gebratene Pilze, gegrillte Tomate, das bekannte Haggis oder «Black Pudding», die bekannte schottische Blutwurst.
Haggis ist eine Spezialität aus der schottischen Küche und besteht aus dem Magen eines Schafes, «paunch» genannt, der mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett vom Schaf, Zwiebeln, Haferflocken oder -mehl und Kräutern gefüllt wird. Haggis ist mit Pfeffer scharf gewürzt, und das Hafermehl verleiht ihm eine etwas schwerere Konsistenz als Wurst.
Wir fanden diese schottische Spezialität gar nicht so übel, zumal diese Speise ja nicht jeden Morgen auf unserem Frühstückstisch steht. Bei sonnigem Wetter starten wir wohl gefuttert auf zu einem Wandertag.
Die Fahrt ging nach Balmaha am Loch Lomond. Ein paar Kilometer nördlich des Ortes befindet sich ein grosser Wanderparkplatz direkt am See. Dort parkierten wir das Auto und starteten auf die Rundwanderung.
Erst schlenderten wir dem sehr schönen Uferweg des Loch Lomond entlang. Immer wieder verlief der Weg durch dichten Märchenwald. Schliesslich erreichten wir das Balmaha Visitor Center mit Museum, wo wir auf unzählige andere Wanderer und Touristen trafen. Sie alle, und auch wir, hatten von hier aus ein Ziel: Den Aufstieg zum bekannten Conic Hill.
Der Normalweg hinauf auf den 350 Meter hohen Gipfel gleicht einer Autobahn für Wanderer. Hier kommen alle hoch, obschon die letzten Meter steiler und ausgesetzter daherkommen. Viele sind auch schon mit dem grasigen Vorgipfel zufrieden, denn die Aussicht ist auch schon dort sensationell.
Wir konnten uns glücklich schätzen. Denn wir hatten beste Wetterverhältnisse für diese Tour. Unsere Blicke schweiften auf den Loch Lomond, dessen zahlreiche grünen Inseln und auch weit darüber hinaus auf die wunderschöne Landschaft. Loch Lomond ist mit 71 km² der nach Fläche grösste See Schottlands und der gesamten Insel Grossbritannien.
Für den Abstieg wählten wir den Weg über den grasigen, breiten Südwestgrat des Conic Hills. Dieser Pfad mit stetigem Blick auf den Loch Lomond ist wenig begangen und ein wunderbarer Abstieg. Auch beim Runtergehen richteten sich unsere Blicke immer wieder zu dem blauschimmernden Loch Lomond.
Bald erreichten wir den Wanderweg am See, welchem wir zurück zum Auto folgten. Auf dem Rückweg nach Balloch, statteten wir dem Balloch Castle einen Besuch ab. Leider mussten wir feststellen, dass dieses nicht mehr von innen besichtig werden kann, ja das Gebäude sogar aussen mittels einem Metallzaun umstellt ist. Keine Anzeichen von Renovierung; man überlässt das Castle wohl dem Verfall. Sehr schade, denn die Parkanlage ist sehr schön gepflegt und lädt zum Verweilen ein.
Mittwoch, 13. Juli 2022 – Von Balloch nach Fort William
Der heutige Tag stand ganz nach dem Motto Reisen, Entdecken und Staunen. Denn der Weg von Balloch nach Fort William bietet so einige Sehenswürdigkeiten, die es anzuschauen gilt. So nahmen wir Kurs nach Norden auf und liessen uns von der Landschaft, welche mit jeder Meile schöner wurde, inspirieren.
Wir wählten die A82 westlich des Loch Lomonds. Das "A" steht nicht etwa für Autobahn; ganz im Gegenteil. Die Strasse kann sehr eng werden und immer wieder gibt es Plätze, wo sich Fahrzeuge kreuzen können. Diese sogenannten Single Track Roads fanden wir von nun an immer häufiger im Strassennetz. Dies stellte jedoch kein Problem dar. Die Schotten sowie die vielen Touristen waren rücksichtsvoll und zuvorkommend.
Leider zeigte sich das Wetter heute von der schottischen Seite. Zwar sassen wir im Auto und die Landschaft war auch bei Regen schön, doch mit Sonnenschein hätte es bestimmt noch eindrucksvoller gewirkt.
Erst als wir beim Kilchurn Castle ankamen, trauten wir uns raus. In Regenhosen und -jacken spazierten wir den kurzen Weg hin zur Burgruine am Nordostufer von Loch Awe. Auch diese Bastion mit fast 250-jähriger Geschichte war eingezäunt und für Besucher nicht mehr geöffnet. Schade; es macht den Anschein, dass für Renovationen alter Gebäude durch die Regierung keine Gelder zugesprochen werden.
Die Fahrt auf der A82 ging weiter. Es folgten die Ortschaften Tyndrum und Bridge of Orchy. Beim Kingshouse Hotel machten wir im Restaurant eine Mittagspause. Gleich wenige Meter später bogen wir nach Westen auf die Single Track Strasse in das Glen Etive Tal ab. Diese malerische Strasse, führt uns in eines der schönsten Täler überhaupt – wild, einsam und romantisch.
Dies erkannte auch die Filmindustrie und verwendete diese hervorragende Kulisse im James Bond Klassiker «Skyfall». Seit da an trägt die Strasse den Namen James Bond Skyfall Road. Trotz der Popularität gehört eine Fahrt zum Pflichtprogramm. Egal, ob Bond Fan oder nicht.
Auf der Weiterfahrt nach Glencoe wurde es uns so richtig bewusst: Jetzt befinden wir uns in den schottischen Highlands. Bis anhin war die Landschaft schön, doch die typische Highlands-Szenerie fehlte mir. Nun war sie da – in der ganzen Pracht. Berge und Hügel, das vielseitige Grün, die karge, weitläufige Landschaft. Wunderschön.
Beim «Three Sisters» Viewpoint stellten wir das Auto ab. Diese Region von Glencoe ist eine der landschaftlich reizvollsten. Das wunderschöne grüne Tal wird oft als ein magisches Land betitelt, das direkt aus einem mittelalterlichen Märchenbuch stammen könnte. Nun ja, in der Schweiz haben wir die gleichen schönen Plätze, sie werden einfach nicht so gut vermarktet.
Doch dies soll die Schönheit nicht schmälern. Die «Three Sisters» sind ein Bergmassiv, welches auf den Karten als Bidean nam Bian vermerkt ist. Da die drei Gipfel sich ähnlichsehen und gleich nebeneinander liegen, werden sie auch die drei Schwestern genannt.
Auf Wikipedia erfährt man weiter, dass der gälische Name wahrscheinlich Spitze der Berge bedeutet. Es gibt auch die Vermutung, dass der Name des Berges, der auf Karten des 16. Jahrhunderts als Pittindeaun oder Boddindeaun bezeichnet wird, ursprünglich auf die gälische Bezeichnung Bod an Deamhain zurückzuführen ist, was mit Penis des Teufels übersetzt wird.
Wir machten eine einstündige Wanderung unterhalb der "Riesen". Das Wetter war in der Zwischenzeit so schön geworden, dass wir keine Regenmontur mehr benötigten und wir die Landschaft in vollen Zügen geniessen konnten.
Wir fuhren weiter nach Fort William, wo wir uns im Conaglen Apartment einquartierten. Im schönen und sauberen Apartment mit zwei Schlafzimmern, Küche und einem grossen Wohnzimmer, werden wir die nächsten vier Tage hausen. Gekocht wird in dieser Zeit selbst, denn jeden Tag Essen gehen in Schottlang geht ganz schön ins Geld.