Donnerstag, 14. Juli 2022 – Besteigung des Ben Nevis - Glenfinann Viadukt
Für mich begann der heutige Tag um 04:00 Uhr morgens. Nach einem kurzen Frühstück machte ich mich auf zum nahe gelegenen Achintee Road Car Park, wo ich das Auto hinstellte. Die Bergtour auf den mit 1'345 Meter höchsten Berg Grossbritanniens, begann für mich gleich neben dem Ben Nevis Inn Pub, über die Mountain Track Route, welche auch als Pony Track oder Tourist Route bekannt ist.
Doch um diese Zeit war da noch Nachtruhe. Ein paar Wohnmobile parkten ebenfalls dort, doch von dem grossen Ansturm, wo überall berichtet wird, ist nichts zu sehen. Ich startete locker flockig, nur im Pullover südostwärts auf dem sehr gut ausgebauten Wanderpfad.
Noch bevor ich die Verzweigung zum Youth Hostel erreichte, überholte ich den ersten Wanderer. Wenig später begann es zu Regnen und mit zunehmender Höhe verschlechterte sich die Sicht.
Die Schafe am Wegrand schien dies nicht weiter zu stören. Obwohl hier massig Wanderer vorbeigehen, schienen sie einen gebührenden Abstand zu bevorzugen. Kurz vor der Anhöhe des "The halfway loch", überholte ich abermals einen Wanderkollegen. Dies war dann auch schon die letzte Person, welche ich auf dem ganzen Aufstieg antraf. Vom grossen Massenandrang, der hier oftmals stattfindet, war keine Spur.
Eventuell hatte es auch mit dem Wetter zu tun, welches fortan schlechter wurde. Immer wieder rieselte es und je nach Windrichtung, pritschten mir grosse Regentropfen ins Gesicht. Doch wir waren in Schottland und da änderte sich das Wetter ständig.
Mein Ziel war es, die 1'320 Höhenmeter innerhalb von zwei Stunden hinter mich zu bringen. Dieser sportliche Fokus trieb mich an. Auch als es immer kälter wurde und meine Kleider innen vom Schwitzen und Aussen vom Regen komplett nass waren.
Nach exakt zwei Stunden erreichte ich den höchsten Punkt Grossbritanniens. Ich suchte vom eisigen Wind sofort Deckung in der kleinen Schutzhütte. Dies ist ein sehr kleines Steinhäuschen, in dessen Innerem sich ca. 4 Personen hinlegen können. Stehen kann man in diesem Raum nicht, aber der Bunker bietet Windschutz und hat vermutlich schon so einigen Berggängern den Aufenthalt hier oben verschönert oder von schlimmerem Übel bewahrt.
Sofort zog ich meine nassen Kleider aus und ersetze sie durch trockene. Zum Glück hatte ich welche mit dabei. Obwohl der Berg nur eine Höhe von 1'345 Meter aufweist, war er bei schlechter Witterung doch alpin und die Temperaturen nicht zu unterschätzen.
Nach einer kurzen Pause ging ich raus, um ein Gipfelfoto zu machen. Die prächtige Aussicht wurde mir verwehrt. Doch dies war nicht erstaunlich, denn der Ben Nevis ist laut Statistik an 300 Tagen im Jahr nebelverhangen. Um einen dieser 60 sonnigen Tage zu erwischen, muss man schon Glück haben.
Ich verlor keine weitere Zeit und nahm den Abstieg in Angriff. Die Temperaturen waren knapp über dem Gefrierpunkt und erst beim Abstieg erkannte ich einige Restschneefelder des letzten Winters. Wirklich warm wird es hier oben anscheinend nicht.
Der Schotte hat jedoch zur Kälte und Nässe eine andere Einstellung. So kamen mir wenig später zwei Trailrunner in kurzen Hosen und einem grossen Grinsen im Gesicht entgegen. Sie hatten anscheinend ihren Spass.
Auch ich war schnell unterwegs. Für den Abstieg benötigte ich weniger als 1.5 Stunden und so war ich kurz vor 09:00 Uhr nach vier Stunden Gesamttour wieder zurück beim Parkplatz. Doch für ein Gipfelbier im Pub war es noch zu früh, so entschied ich mich, zurück in unsere Wohnung in Fort Williams zu gehen.
Unterwegs holte ich mir noch eine Tiefkühlpizza, welche ich dann zusammen mit der Familie zu deren Frühstück ass. Eigentlich wollte ich auch noch ein Bier (für später) kaufen, doch der Alkoholausschank im Supermarkt ist erst ab 10:00 Uhr erlaubt. Hier werden die Frühaufsteher schonungslos diskriminiert! :-)
Am Nachmittag folgte dann der Ausflug mit der ganzen Familie. Ziel war das «Glenfinnan Viaduct» am Loch Shiel. Dort fährt viermal täglich der Jacobite Steam Train auf dem Weg von Fort William nach Mallaig drüber. Bekannt ist dieses Eisenbahnviadukt der West Highland Line aus den Harry Potter Verfilmungen. Darin fährt der sogenannte Hogwarts-Express in mehreren Filmen über den Viadukt und ist dadurch weltbekannt geworden.
Das 380 Meter lange Bauwerk besteht aus 21 Pfeilern, die bis zu 30 Meter hoch sind. Der Viadukt war zum Zeitpunkt der Fertigstellung eine technische Pionierleistung, denn er ist eine der ersten grossen (Stampf-)Betonbrücken überhaupt. Deshalb erhielt der Erbauer Robert McAlpine später neben dem Ritterschlag auch den Spitznamen "Concrete Bob" (engl. für "Beton-Bob").
Heute steht jedoch der Touristensonderzug "The Jacobite" mit Dampflokomotiven im Vordergrund. Zahlreiche Harry Potter Fans und Eisenbahnfreaks suchen hier täglich den Weg auf die umliegenden Hügel, um dem Spektakel zuzuschauen und um das eine Video oder Foto zu erhaschen. Die Stimmung fühlt sich an wie am Basler Morgenstraich. Angespannt, erwartungsvoll, ungeduldig, aufgeregt.
Hört man dann das Pfeifen der Eisenbahn und steigt der weisse Dampf aus dem Kamin zum Himmel empor, ist der Spuk jedoch in wenigen Minuten auch schon wieder vorbei und alle machen sich auf den Weg ins Tal zu den Autos.
Doch kulturell hat der Ort hier einiges mehr zu berichten. Glenfinnan ist in der Geschichte als der Ort verwurzelt, an dem Bonnie Prince Charlie die Clans versammelte, um 1745 den Jakobitenaufstand zu beginnen. Er wurde am 19. August 1745 zum Loch Shiel hinaufgerudert, nachdem er die Nacht in Glenaladale verbracht hatte. Heute steht an dieser Stelle das Glenfinnan Monument, das als der Ort gilt, an dem die Standarte erhoben wurde.
Der Prinz sollte Glenfinnan am Ende des Aufstands erneut besuchen, als er nach der tödlichen Schlacht von Culloden im Jahr 1746 vor den Rotröcken floh. Diesmal war er gezwungen, sich in den Bergen zu verstecken, ehe er nach Arisaig weiterzog und Schottland für immer verlies.
Wir hingegen verliessen Schottland noch nicht und fuhren zurück in unser Apartment, wo wir etwas Feines zum Nachtessen kochten.
Freitag, 15. Juli 2022 - Jacobite Steam Train
Heute war der Harry Potter Tag. Nachdem wir gestern beobachtet hatten, wie der Jacobite Steam Train über den riesigen Glenfinnan Viadukt tuckerte, sassen wir heute selbst in dem mit Kohle betriebenen Dampflockzug, welcher auch den Übernamen Hogwarts Express trägt.
Nach dem Frühstück machten wir uns auf nach Fort William und schlenderten durch die historische, ursprüngliche Altstadt. Die Nachmittagsfahrt des Jacobite Steam Trains würde erst kurz vor 13:00 Uhr starten, so hatten wir genügend Zeit, den Ort zu erkunden und noch einen Kaffee zu trinken.
Mit einer Verspätung von 15 Minuten, startete der dampfbetriebene Museumszug mit Zielort Mallaig. Benannt ist der Zug nach den Jakobiten, deren letzter Aufstand gegen die britische Krone in Glenfinnan, einem Ort an der vom Zug befahrenen Strecke, begann.
Wir hatten unsere Sitze in der First Class gebucht und wurden entsprechend privilegiert betreut. Noch vor dem Losfahren wurden wir mit Tee und einem “Shortbread Round” bedient. Von Fort William ging es ostwärts dem Loch Eil entlang, ehe wir bei Glenfinnan über den Viadukt tuckerten.
Wiederum standen zahlreiche Leute links und rechts auf den Hügeln und beobachteten die Zugfahrt über das Viadukt. Ich sah sogar Kinder, welche als Harry Potter verkleidet mit dem Zauberstab herumfuchtelten, als wir an ihnen vorbeifuhren. Ob es wohl ein liebwollender Zauberspruch war?
Vermutlich schon. Denn wir hatten fortan den ganzen Tag nur noch sonniges Wetter. So konnten wir die herrliche Landschaft in dem so einzigartigen Highland-Licht mit intensiven Grün- und Gelbtönen erblicken.
Doch, wer eine Harry Potter Atmosphäre erwartet, wird enttäuscht sein. Weder am Bahnhof noch im Zug, wird auf die Geschichte eingegangen. Wir sassen eben im Jacobite Steam Train (ehemals "The West Highlander") und nicht im Hogwarts Express (hatten vermutlich das falsche Gleis erwischt).
Nach einem kurzen Stopp an der Haltestelle von Glenfinnan, ging die Fahrt weiter. Die Zugstecke verlief direkt dem Loch Eil entlang und bescherte uns dauerhaft herrliche Blicke auf die Gegend.
Kurz nach der Haltestelle Lochailort, trafen wir dann auf das Meer. Schlagartig wechselte die Szenerie um und wir hatten eine grandiose Aussicht auf die See und die Inseln Eigg, Rùm und Skye.
Ein wenig später endete die Fahrt nach rund zwei Stunden am Zielbahnhof von Maillaig. Doch damit war nicht genug. Wir nutzen den zweistündigen Aufenthalt, um eine Bootsfahrt hinaus auf das Meer zu unternehmen. Die Mallaig Wildlife Cruise ist perfekt abgestimmt auf den Zugfahrplan und somit eine gute Kombination, einen Beobachtungsausflug zu unternehmen.
Kaum waren wir ein wenig weg vom Hafen, wurde unser Schiff bereits von Delphinen begleitet. Auch Wale halten sich hier oft auf. So auch auf der vorgängigen Tour. Doch uns wurde die Sicht verwehrt. Dafür sahen wir Robben, Seelöwen und viele Vögel, welche sich auf den Felsen am Meer tummelten.
Zurück im Jacobite Steam Train, war unser Tisch wieder geputzt und mit neuem Teegeschirr gedeckt. Pünktlich um 17:00 Uhr pfiff die Lokomotive und die Wagons rollten los. Auch die Fahrt zurück war wiederum atemberaubend. Die Dampflockfahrt ist zwar teuer, aber absolut zu empfehlen – egal ob Harry Potter Fan oder nicht.
Samstag, 16. Juli 2022 – Ein Regentag in Fort William
Den heutigen Tag gingen wir ruhig an. Das Wetter vor der Haustüre lud nicht zum rausgehen ein. Erst um 11:00 Uhr waren wir mit dem Frühstück fertig. Dann machten wir uns mit dem Auto auf in Richtung Fort William und besuchten das Treasures of the Earth Museum.
Die Ausstellung umfasst eine fantastische Sammlung von Edelsteinen, Fossilien und Kristallen. Besonders eindrücklich war die Vitrine mit dem Ultravioletten Licht, durch welches unscheinbare Steine sich im Dunkeln in fluoreszierende Farbwunder verwandelten.
Anschliessend wollten wir das Old Inverlochy Castle besuchen. Aber auch dieses war mit Absperrgittern umrundet und der Zutritt untersagt. Doch am daneben liegenden Friedhof konnten wir ein paar eindrückliche Blicke auf die alten Grabsteine werfen. Irgendwie ein gruseliger Anblick.
Einmal mehr, bummelten wir durch Fort William, ehe wir wieder in unser Apartment zurückkehrten. Luca kochte uns anschliessend Crêpes und Tanja wusch unsere dreckigen Kleider. Zum Abendessen gab es alle Reste aus dem Kühlschrank und die angefangenen Lebensmittel.
Bevor wir ins Bett gingen, packten wir noch all unsere Sachen, denn am nächsten Tag würden wir das Domizil in Fort William verlassen und weiter zur Insel Skye fahren.