Nordspanien: Baskenland, Kantabrien, Asturien und Galizien
Lugo & Foz
Samstag, 06. Oktober 2018
Heute war es endlich soweit. Viel hatten wir über das Pulpo-Fest in Lugo schon von Nany gehört. San Froilán wie es mit richtigem Namen heisst, wird jährlich zu Ehren des heiligen Florian veranstaltet. Diese Festlichkeiten werden in der Stadt Lugo schon seit 1754 gefeiert. Seitdem sind sie eines der bedeutendsten Festereignisse Galiziens.
Mehrere Kirchen im Nordwesten Spaniens und im Norden Portugals sind dem heiligen Froilán geweiht. Er wird als Wohltäter der Armen verehrt; seine vor allem in den Städten León und Lugo aufbewahrten Reliquien gelten als wundertätig. Zudem ist er der Schutzpatron der Provinz Lugo und des Bistums León.
Gegen Mittag trafen wir in Lugo, der ältesten Provinzhauptstadt Galiziens ein. Nany war bereits mit ihren Leuten in der Stadt unterwegs und so vereinbarten wir einen Treffpunkt beim Provinzmuseum. Gross war die Freude als wir uns alle wieder in die Arme nehmen konnten. Vor allem die Kinder waren vor dem Treffen sehr aufgeregt.
Begleitet wurde Nany von Ivan, dessen Eltern Anna und José Luis, sowie Ihrem Vater Juan und Bruder Memel. Zusammen streiften wir durch die verwinkelten Fussgänger- und Geschäftszonen des historischen Lugo bis zu einer Bar, wo es für alle etwas zu trinken gab und wo wir uns austauschen konnten.
Beim weiteren schlendern durch die Strassen führte uns Memel zu einer Takeaway-Pizzeria, wo auch Luca endlich einmal etwas fand, was ihm schmeckte. Die Speisekarte Galiziens ist definitiv nicht sein Ding.
Als die Geschäfte am späteren Nachmittag für die Siesta schlossen, begaben wir uns auf Lugos Wahrzeichen: Die Stadtmauer. Die mehr als zwei Kilometer intakte römische Stadtmauer umringt die Altstadt komplett und ist so breit, dass man auf der Mauerpromenade von Wachturm zu Wachturm streifen kann. Es war um das Jahr 270 als die Römer ihre Herrschaft in "Lucus Augusti", dem heutigen Lugo, im worteigensten Sinne festigten.
Sie schlossen den strategisch wichtigen Kreuzpunkt im Nordwesten Spaniens oberhalb des Tals des Miño-Flusses in einem monumentalen Mantel aus Schiefer und Granit. Ganze 2'130 Meter lang, durchschnittlich 12 Meter hoch und 4.5 Meter breit ist dieses Bauwerk. Selbst bei der schlussendlichen Eroberung Lugos durch die Mauren und Normannen blieb das historische Stadtmauerwerk verschont und hat sich – wenngleich ausgebessert und restauriert – quasi komplett erhalten.
Es war ein Erlebnis, die Altstadt auf dieser Promenade zu umrunden, auch deshalb, weil gerade die Sonne durch die Wolken schien und die Stadt ein wenig strahlen liess. Es erstaunte uns nicht, dass dieses Bauwerk zum Weltkulturerbe erhoben wurde.
Ein weiteres Bauwerk was mich ebenso faszinierte war die Kathedrale Santa Maria. Die zahlreichen Kapellen, Kirchenfenster, Altare, Beichtstühle sowie die Raumaufteilung gefielen mir sogar besser als in der Kathedrale von Santiago. Laut Geschichtsbuch dauerte der Bau ganze 650 Jahre bis zur kompletten Fertigstellung!
Am späteren Nachmittag checkten wir im Appartement Camiño Real, ausserhalb der Stadtmauer, ein. Ein grosses Appartement mit drei Schlafzimmern, zwei Bädern, Wohnstube und Küche. Wir benötigten den Luxus jedoch gar nicht. Denn nach einer Dusche ging es gleich auf zum Pulpo-Fest.
Nany trafen wir auf dem Praza Maior wieder, welcher mit Arkaden gesäumt und mit viel Grün aufgelockert war. In der Zwischenzeit herrschte in der Stadt ein reges Treiben. Die Leute strömten aus allen Himmelsrichtungen in das Zentrum, und die vielen kleinen Bars füllten sich bis auf den letzten Platz.
Ein wenig später kamen Juan und schliesslich Ivan mit seinen Eltern dazu. Wir wechselten das Viertel und bewegten uns langsam in Richtung Jahrmarkt. Zahlreiche Stände und Bahnen sorgten bei den Kindern für viel Spass. Doch Tanja und ich wollten langsam aber sicher die Pulpo-Spezialitäten probieren. Allerdings war ein Vorwärtskommen nur langsam möglich. Es ging zu und her wie am Morgestraich.
Die weltbesten Pulpo – so werden die Tintenfischspezialitäten hier gepriesen – wurden in kleinen Küchen mit grossen Wassertöpfen vor eigens für das Fest gebauten Holzhütten zubereitet. In den temporären Restaurants wurde dann serviert und gegessen. Bevor man sich jedoch für eines der zahlreichen Restaurants – welche alle genau gleich aussehen – entschied, probiert der Gast erst ein mit der Schere frisch abgeschnittenes Pulpostückchen.
Serviert wird der Pulpo schliesslich auf einem runden Holzbrett, mit ein wenig Öl und Paprika beträufelt. Gekochte Kartoffeln bilden die Beilage. Dazu wird in der Regel Wein getrunken. Und ja, der Pulpo schmeckt wirklich vorzüglich. Die Frage, was der Heilige Florian mit dem Pulpo zu tun hat, konnte mir keiner beantworten. Es war schon immer so und schliesslich braucht man zum feiern auch etwas zu essen.
Erst zur vorgerückter Stunde und einige leere Rotweinflaschen später, kamen wir um 02:00 Uhr im Apartement an. Alle waren müde und durchgefroren. Die Temperatur ist in dieser Nacht runter in den einstelligen Bereich gesunken und es ging ein eisiger Wind. Alle versteckten sich unter der Decke und waren bald eingeschlafen.
Weitere Fotos vom Samstag, 06. Oktober 2018
Sonntag, 07. Oktober 2018
Die Nacht war kurz. Bereits um 09:30 Uhr sassen wir in der Panadería unter unserem Apartement an der Ecke der Rua do Camiño Real. Ein superkurzer Weg zu unserem Frühstück. Die Weiterfahrt zu Nany's Familie war auf 10:30 Uhr angesetzt. Doch Pünktlichkeit war nicht so Nany's Stärke. So ging die Fahrt eine Dreiviertelstunde später los.
Gerne hätten wir nochmals das Volksfest des San Florian aufgesucht, denn gesehen hatten wir gestern nur einen Bruchteil der Festlichkeiten. Die volkstümlichen Kinderspiele, der mittelalterliche Markt mit Minnesängern und Rittern, das zur Show gestellte mittelalterliche Handwerk, die Greifvogelschau und vieles mehr hätten locker nochmals einen Tag gefüllt. Doch unser Reiseplan für heute war bereits durch Nany initiiert.
Unser erstes Ziel war das Valle San Adriano wo Nany's Grosseltern Fe und Abel wohnten. Es war interessant einen Blick in das Haus zu werfen, welches von der Ur-Generation ihrer Familie erbaut wurde. Vieles wurde in der Zwischenzeit modernisiert: Der Stall im Erdgeschoss wurde zur Küche, der Dachstuhl zu Nany's Zimmer.
Weiter ging es zur Ortschaft Lourenza, wo an diesem Wochenende das Erntedankfest der Bohnen (Festa da Faba) stattfand. Die Bauern stellten Ihre Bohnenpracht zur Schau und liessen die Leute vor dem Kauf probieren. Neben einem Sack Bohnen kauften wir auch Salami als Geschenke für die Daheimgebliebenen ein. Natürlich wurde an diesem Fest auch vieles für die Kinder geboten. Clowns, Bahnen, Stände mit Spiel- und Schleckzeug reihten sich in den Strassen.
Als wir noch über das Festgelände schlenderten, machte sich Memel mit den frischen Fleischeinkäufen bereits an die Zubereitung des Mittagessens bei seiner bzw. Nany's Mutter. Wenig später kamen wir nach und trafen bei Maria und Pepe in Foz auf einen reichhaltig gedeckten Mittagstisch. Schinken, Salami, Käse, Salat, Bocadillos und Venusmuscheln in einer feinen Weissweinsosse markierten nur die Vorspeise. Es folgten sogleich Spareribs, Speck, Würste, Pommes und leckere Pimientos aus dem eigenen Garten.
Begleitet wurde das Menü mit Weisswein, Rotwein sowie Sidra und abgeschlossen mit zwei leckeren, selbstgebackenen Kuchen. Danach waren wir ganz schön voll! Zeit also, um raus an die frische Luft zu gehen und einen kleinen Spaziergang zu unternehmen.
Das Ziel war der Pico da Frouseira, dessen Spitze bis auf 427 Meter hochragt. Mit dem Auto konnten wir bis zum Parkplatz hochfahren, von wo aus ein Wanderweg auf den Gipfel zu den noch existieren Ruinen des ehemaligen Castillo da Frouseir führte. Doch als wir loslaufen wollten, machte uns Memel auf ein zischendes Geräusch aufmerksam. Es kam von unserem Auto.
Jetzt steckte da doch tatsächlich ein fingergrosses Stück Eukalyptus-Ästchen im Hinterrad und furzte lautstark die Luft aus dem Reifen. So was brauchten wird nun wirklich nicht. Aber es war nun mal so. Während Memel und Juan sich liebenswürdigerweise anboten das Reserverad zu montieren, stieg der Rest der Bande den steilen Weg zu den Ruinen hoch.
Es war in der Tat ein ganz spezieller Ort. Die Erhöhung mit ihren rundgeformten Felsen liessen die Gegend skurril wirken. An einigen der runden, plattigen, aber sich sehr rau anfühlenden Felsen, waren Kletterrouten eingerichtet. Ein Kribbeln in meinen Fingern machte sich breit und Ideen kamen hoch.
Der Ausblick über die hügelige Landschaft und das Meer war einmalig. Ein wirklich sehenswerter Aussichtpunkt. Als wir zurück zum Auto gelangten, war die Arbeit bereits erledigt, das Gepäck wieder verstaut und die Fahrt konnte weitergehen. Was hatten wir doch für liebe Freunde.
Bevor es dunkel wurde, wollten wir noch die Quelle und den Wasserfall Santo Estevo do Ermo anschauen. Wiederum fuhren wir auf staubigen Forststrassen durch dichten Eukalyptuswald. Nur dieses Mal noch ein wenig vorsichtiger.
Der kleine Spaziergang zu der Quelle war kurz und schön. Vor dem Wasserfall mussten wir nochmals ein Selfie von uns allen machen. Anschliessend fuhren wir alle zusammen zu unserer nächsten und letzten Unterkunft: das Casa Rural Valraiña in Foz.
Hier verabschiedeten wir uns von allen und traten in die wunderschöne rustikale Anlage Valraiña ein. Zu unserer Freude hatten wir uns für die letzten zwei Nächte nochmals etwas grossartiges ausgesucht. Zwei gegenüberliegende Doppelzimmer im landschaftlichen, urbanen Stil. Nachdem wir all unser Gepäck auf die Zimmer hochgeschleppt hatten, legten wir uns zum schlafen hin. Vollgefressen vom Mittagsmenü, den Eindrücken der vergangenen Tage und müde von der letzten kurzen Nacht waren wir sogleich dahin.
Weitere Fotos vom Sonntag, 07. Oktober 2018
Montag, 08. Oktober 2018
Der letzte Tag unserer Nordspanienreise brach an. Vermutlich aber nicht der letzte den wir in Foz verbringen werden. Die Anreise nach Santiago, Lugo und Foz ist von Basel aus so einfach, dass wir problemlos wieder mal kommen und auch Nany und Ihre Familie besuchen könnten. Evtl. beim nächsten Mal sogar zum klettern. Die runden Felsformationen des Pico da Frouseira haben mir ganz schön Eindruck gemacht. Obwohl… klettern auf Reibung eigentlich nicht so mein Ding ist. Aber mit einem Guide der vorklettert sicherlich genüsslich.
Tja, nach den vergangenen sehr langen und kalten Tagen waren wir ganz schön groggy. Wir schliefen erst mal bis 10:00 Uhr aus um dann beim Frühstück festzustellen, dass wir eigentlich gar keine Lust auf die im Vorfeld geplante Wanderung hatten. Ursprünglich wollten wir am Rio Eo entlang einer stillgelegten Eisenbahnstrecke gehen. Doch das wiederum sonnige Wetter lockte uns erneut an den Strand von Foz.
Man muss dazu sagen, dass der Weg dorthin bei einigen kleinen Geschäften und Boutiquen vorbeigeht, wo man gut einkaufen kann. So erledigten wir einige Einkäufe bis wir endlich den Hafen von Foz und den dahinter liegenden Praia a Rapadoira erreichten.
Erneut hatten wir wiederum sonniges Wetter und dank der Nebensaison keinerlei andere Touristen oder Leute, die am Strand waren. Vieles war jedoch auch bereits geschlossen, aber wir wollten uns nicht beklagen. Um diese Jahreszeit in Galizien zu Reisen benötigt halt einfach ein wenig Wetterglück.
Als wir wieder zurück im Casa Rural Valraiña waren, folgte die grosse Packaktion für die Heimreise. Vor allem Tanja hatte viel zu tun – sie managte neben Ihren Kleidern auch jene der Kinder. Um den Trubel nicht zu stören, trank ich draussen auf einer Bank in der Sonne das Sixpack Estrella Galicia leer. Schliesslich konnten wir dies nicht mit nach Hause nehmen. Die Koffer waren schon genügend mit Einkäufen, Muscheln und Steinen gefüllt.
Den letzten Abend verbrachten wir im Restaurant Fina nahe am Hafen. Wir bestellen eine grosse Platte mit Pulpo, Squids und verschiedenen Muscheln, einen gemischten Salat und die Kinder teilten sich eine Pizza. Dann war es auch schon Zeit um wieder ins Bett zu gehen.
Weitere Fotos vom Montag, 08. Oktober 2018
Dienstag, 09. Oktober 2018
Es war eine unruhige Nacht. Um 05:00 Uhr standen wir schliesslich auf und brachten den letzten unserer vier Koffer ins Auto. Die Fahrt nach Santiago de Compostela dauerte knapp zwei Stunden. Es war stockdunkel und die Strassen nebelverhangen. Schnell Fahren konnten wir trotz den menschenleeren Strassen nicht.
Kurz vor dem Flughafen füllten wir den Autotank voll und begaben uns an die Rücknahmestelle von Alamo. Hier benötigten wir ein wenig Zeit, um die Situation bzgl. unserem Platten zu erläutern. Es war jedoch kein Problem. Die Dame am Schalter füllte einen entsprechenden Unfallschein aus und stellte uns den Reifen in Rechnung. Das Geld müssten wir dann zu Hause bei Sunny Cars zurückfordern.
Beim Check-in mussten wir aufgrund des Übergewichtes ausserhalb der Schlange noch ein wenig unser Gepäck umräumen. Wir hatten dieses Mal versucht, die schweren Wanderschuhe im Koffer zu verstauen, doch anscheinend war dies zu viel. Schlussendlich nahmen wir unseren Wäschesack mit den dreckigen Kleidern als viertes Handgepäck. Damit kamen wir mit dem Gewicht hin.
Die weitere Heimreise verlief planmässig. Am Mittag landeten wir in Basel und Hanspeter holte uns vom Flughafen ab. Nach dem Einkaufen folgte dann die grosse Ausräum- und Waschaktion. Doch trotz dieser mühsamen An- und Abreisetage ist es immer wieder toll eine Reise mit der Familie zu unternehmen. Ich freue mich schon auf die Fotos. Doch bis dahin gilt es, sich wieder in den Alltag einzuleben.