Inselumwanderung Gozo
Donnerstag, 19. September 2019 – Etappe 1: Mgarr – San Lawrence
Mein erster Tag der Gozo-Umrundung startete um 07:30 Uhr. Um 08:00 Uhr war Frühstück angesagt. Anders, als in den Unterkünften bislang, deckte Daniela so richtiges Frühstück auf. Sie liebte es zu kochen und betonte immer wieder, dass sie froh ist, wenn jemand ihre Speisen dann isst und sie nicht selbst alles essen muss. Sie war ja auch Italienerin und so liess sich das Frühstücksbuffet von ihr sehen, selbst wenn die Italiener eher stiefmütterlich frühstücken! Zwei frische süsse Kuchen, aufgeschnittener Serrano Schinken, frische Blätterteiggebäcke, Nutella-Brote, eine grosse Variation an Joghurts und daneben das übliche Continental Breakfast.
Doch was für mich wirklich erstaunlich war, dass Daniela unzählige Varianten kannte Eier zuzubereiten. Irgendwann hörte da mein Englischwortschatz auf und ich sagte, sie solle doch ein Eiersandwich Ihrer Empfehlung zusammenstellen. Da freute sie sich und ich bekam wenig später ein warmes Sandwich mit Ei, Ziegenkäse und Gemüse.
Am Frühstückstisch war ich nicht alleine. Eine Französin hatte bereits vor mir Platz genommen und versuchte hauptsächlich die süssen Leckereien. Sie reiste allein und war anscheinend schon einige Tage im Farfett B&B Rest and Zest. Ausser Französisch konnte sie keine Sprache. Da Daniela, an meinem französischen Akzent des Englischen mutmasste, dass ich aus der französischen Schweiz kam, schlug sie uns vor, Französisch miteinander zu sprechen. Aber für eine Konversation war mein Französisch leider einfach zu schlecht.
Doch für eine Madame der Grande Nation reichte ein Augenzwinkern. Dazu summte sie zur Jazz-Musik, welche durch den Raum schalte und dem lieblichen Etablissement noch einen verstärkten Charakter verlieh.
Daniela war so nett, während meiner viertägigen Inselumwanderung von Gozo auf das Gepäck aufzupassen. Im Auto wollte ich es nicht lassen. Dieses liess ich ein paar Meter weiter unten im Ort Ghajnsielem am Strassenrand stehen und startete meine Wanderung in Richtung Hafen, welchen ich als Ausgangspunkt definiert hatte.
Lange alleine blieb ich nicht. Auf dem Weg hinunter zum viel frequentieren Hafen von Mgarr sprach mich Peter an. Er sah mein Schweizerkreuz am Rucksack und deutete darauf, dass ich auch Tourist war. Peter und seine Freundin kamen aus Ungarn und reisten mit Bus und Fähre nach Gozo. Sie hatten sich gleich in eines der am Hafen stehenden Unterkünfte eingemietet – meiner Meinung nach einer der lautesten Orte überhaupt auf Gozo. Doch bestimmt nie langweilig! Peter träumte auch von einem Besuch in der Schweiz, die Temperaturen hier auf Gozo seien schon ein bisschen "too much". Wie sehr ich dem zustimmen würde war mir nach ein paar Stunden Wandern erst bewusst.
Am Bankomaten beim Hafen von Mgarr holte ich mir noch Geld für die nächsten Tage. Ich hatte zwar alle Hotels im Voraus reserviert, doch noch nicht bezahlt. Und wer weiss, plötzlich benötigt man Bargeld, weil der Strom wieder mal ausfällt und das Kartenlesegerät nicht funktioniert.
Dies war es dann auch schon mit den Bekanntschaften von unterwegs! Und ich folgte meinem Weg, aber wer war denn so blöd bei dieser Hitze in der prallen Sonne 20 km der Küste entlang zu gehen?
Ich! Mein Ziel war es bis zum Abend die Ortschaft San Lawrence im Westen der Insel zu erreichen. Ich startete also etwa um halb zehn Uhr am Bankomaten in Mgarr. Kaum war ich 20 Meter vom grossen Parkplatz entfernt, war ich Mutterseelen allein unterwegs. Ich kann bereits jetzt vorausschicken, dass ich, ausser in den Ortschaften, während der ganzen Wanderung niemand anderes angetroffen habe! Ausgenommen Jäger und Bauern.
Ich zog den Klippen entlang westwärts. Mein erstes Etappenziel war Mgarr ix-Xini, welches ich vom Klettern der letzten Woche bereits kannte. Dort gab es zwei kühle Kinnie und ich erkannte, dass die Sonneneinstrahlung und Wärme immens waren. Es würde heute eine sehr heisse und anstrengende Etappe werden.
Frisch mit Sonnencreme eingestrichen, folgte ich auf der anderen Seite dem steilen Pfad wieder hoch auf die Klippen. Auf dem Plateau herrschte eine Hitze und trotz des Küstenwindes schwitzte ich was das Zeugs hielt. Regelmässig schüttete ich Flüssigkeit nach und strich abermals Sonnencreme ein, welche ich gleich wieder rausschwitzte.
Der Weg nach Sannat war eher langweilig und führte über weite Strecken einer geteerten Strasse entlang. Auf dem Dorfplatz fand ich einen schattenspendenden Baum (wohl der einzige des ganzen Tages), wo ich eine längere Pause machte. Ein Coca-Cola-Automat gab mir die nötige Flüssigkeit, das Buch von Gregor Sieböck die geistige Abwechslung.
Sannat lag nicht mal in der Hälfte meiner heutigen Strecke, ich musste weiter. Das Xlendi Bay versprach eine Abkühlung im Meer und motivierte mich entsprechend. Der stolze Wachturm (Xlendi Tower) wies mir den Weg, doch zahlreiche Schilder mit "Keep out", "Private property " und "Danger" machten diese nicht einfach.
In Xlendi Bay angekommen, folgte ein Kulturschock. Die schöne Bucht ist komplett vom Tourismus versaut. Anders kann man es nicht nennen. Der Typ Leute, die hier verweilen, hatten nichts mit den anderen Touristen auf der Insel zu tun. Es könnte hier auch der Hotspot von Mallorca oder Benidorm sein.
Auf ein Bad verzichtete ich trotzdem nicht. Erfrischt ging es zumindest für die nächsten zehn Minuten weiter. Im Bay kaufte ich mir noch zwei Kinnies und stieg anschliessend den steilen Pfad nach Tar-Riefnu hoch.
Es folgten schöne Streckenabschnitte auf Pfaden oder Kiesstrassen bis zum Wardija Point. Danach galt es den "richtigen" Pfad zu finden. Die diversen Grundstückbesitzer malten die Wegführung regelrecht um, überdeckten mit grauer Farbe die Signale und versperrten mit Steinmauern die Wege. Eine sehr unschöne Sache, zumal in dem einen oder anderen Jagdunterstand Personen sassen, die einen beobachteten.
Je näher ich zum Dweijra Bay kam, desto ausgebauter und besser beschildert war der Pfad. Der Fungus Rock – eine Felsinsel in der Brandung – war nur eine Schönheit, die es dort zu entdecken gab. Auch zahlreiche Höhlen in den steilen Klippen waren zu erspähen.
Vorbei am Wachturm von Dwejra erreichte ich die kleine Kirche St. Anna beim "Inland Sea". Eigentlich war es mehr ein grosser Parkplatz mit vielen Touristen, welche die Reste des Azure Windows und den Inland Sea besuchten. Ich war einmal mehr schockiert, wie sich diese Besucher hier aufführen. Das Wichtigste schien ihnen der Souvenir- und Eisstand zu sein.
Obwohl ich schon müde war, lief ich die Strasse hinunter zum Inland Sea und war froh, dass ich dies gemacht hatte. Das Meerwasserbecken, welches nach einem längst vergangenen Felssturz entstand, ist wirklich einen Augenschein wert. Man kann sogar mit dem Boot in das Höhlensystem reinfahren oder schwimmen. Anscheinend gibt es einen passierbaren Weg zu den Aussenklippen.
Hier fühlte ich mich wohl. Fast nur einheimische Familien waren um diese Uhrzeit am Baden. Nach einem längeren Aufenthalt nahm ich die letzte halbe Wanderstunde hinauf nach San Lawrence unter die Füsse. Das Shanti Ghar B&B war schnell gefunden und ein toller Ort, um die Nacht zu verbringen.
Doch bevor ich mich ausruhen konnte, musste ich noch kurz einkaufen, sprich meine Wasserreserven auffüllen. Bei dieser Gelegenheit reservierte ich gleich noch einen Platz im Tatitas Restaurant, welches direkt neben der gewaltigen Kirche von San Lawrence lag. Als ich dann am Abend dorthin ging, gab es frischen Oktopussalat zur Vorspeise und ein paar Scheiben des frisch gefangenen Schwertfisches zur Hauptspeise. Zufrieden ging ich am Abend zurück ins Shanti Ghar, wo ich im Bett gleich selig einschlief.
Weitere Fotos vom Donnerstag, 19. September 2019
Freitag, 20. September 2019 – Etappe 2: San Lawrence - Marsalforn
Die gestrige Etappe war die Längste der Inselumrundung. Ich hatte schon lange nicht mehr so geschwitzt. Teilweise war die Luft trotz Wind so heiss, dass man schwerlich atmen konnte. Fast wie in der Saharawüste, nur mit viel mehr Luftfeuchtigkeit. Über den Tag hinweg hatte ich acht Liter Flüssigkeit zu mir genommen. Dazu kamen am Abend noch zwei Bier und eine Flasche Wein.
Die heutige Etappe war kürzer angelegt und der Zielort hiess Marsalforn. Das touristische, aber deswegen nicht weniger attraktive Marsalforn, kannte ich bereits aus den vorangegangen Klettertagen, wo ich ganz in der Nähe mit Dominik übernachtet hatte. Auch wusste ich bereits, wo sich das Hotel Il Plajja befand, in welchem ich heute Nacht einkehren würde. Den Tag konnte ich also relaxt angehen.
Vorbei an der gewaltigen Kirche von San Lawrence stiess ich in den nordwestlichsten Teil der Insel vor. Richtige Strassen gab es hier nicht mehr und auch die Wanderpfade waren schwierig zu finden. Dass Fremde hier nicht willkommen waren konnte man wiederum überall lesen. Speziell in der Umgebung des Dimitri Points wollten die Bauern und Jäger keine Wanderer sehen. Dies musste ich schon vor ein paar Tagen erfahren, als ich mit Dominik zu Kletterrouten oberhalb des Meeres unterwegs war. Wir wurden damals regelrecht angeschrien und aufgefordert, unverzüglich das Land zu verlassen.
Mein heutiges erstes Ziel war glücklicherweise etwas mehr kulturell und daher der Zugang auch geduldet. Und zwar stattete ich der Kapelle San Dimitri einen Besuch ab. Danach ging es weiter zum Hekka Point, wo ich wieder auf die Klippen traf und mein Weg nun fortan nach Osten führte. Dabei hatte ich stetig das Gefühl beobachtet zu werden. Denn überall hatte es die kleinen Steinhäuschen der Jäger und ab und zu sass da auch einer regungslos drin.
Die Bevölkerung liess einem schon das Gefühl vermitteln, hier nicht willkommen zu sein. Sicherlich gibt es Ausnahmen, doch bei diesen gilt es auch erst zu prüfen, ob sie nicht Nutzniesser des Tourismus sind. Selbst ein Grüssen auf dem Feldweg oder in der Stadt ist sehr oft nicht zu hören. Es wird im richtigen Moment auf den Boden geschaut oder das Gegenüber einfach ignoriert.
Nicht nur damit hatte ich grosse Mühe, sondern auch, wie die Bewohner mit der Umwelt und der Natur umgehen. Überall liegt Abfall herum – und dies nicht nur in den Ortschaften. Selbst an noch so scheinbar entfernten Orten findet man Kühlschränke, Reifen, Pfannen, Abfallsäcke, ganze ausgemerzte Autos, Klimageräte, Lampen, Kloschüsseln, Radios… die Liste ist endlos.
Das grösste Problem sind jedoch die Bierdosen, Petflaschen und Munitionskapseln. Diese werden von den Bauern und Jägern rücksichtslos auf den Boden geworfen und sind wirklich überall zu finden! Selbst auf den Feldern, wo geackert und gepflanzt wird, liegen zwischendrin die zerdrückten Dosen herum. Ich kann wirklich bestätigen, dass ich auf meiner Wanderung im Durchschnitt alle 20 Meter über einen dieser Gegenstände stiess. Für mich unverständlich, einfach haarsträubend!
Zwar gibt es in den Ortschaften sehr viele Abfallkübel, wo der Müll sogar getrennt entsorgt werden kann, doch Anwendung findet dies nur sehr spärlich. In den nächsten Jahren wird sich die Insel zu einem noch grösseren Abfallberg entwickeln. Ich will gar nicht wissen wie viel Müll im Meer entsorgt wird.
Ich freute mich, als ich den Pinu-Point (Il Ponta ta'Pinu) erreichte. Hatte ich doch sehr tolle Erinnerungen an den Ort, wo Dominik und ich oberhalb des Wassers an diesen Klippen kletterten. Seit das bekannte Azure Window (Felsentor) am Dwejra Point eingestürzt ist, zählt ta'Pinu zu den sehenswertesten Felstoren von Gozo.
Weiter wanderte ich entlang einer breiten Piste, oberhalb hohen und steil abfallenden Felswänden bis zum Canyon bei Ta Nikol. Hier musste ich, um auf die andere Seite zu gelangen, zwar einen Umweg ins Landesinnere in Kauf nehmen, dafür war ich dankbar diese sensationelle Badebucht gefunden zu haben.
Nach einem längeren geraden Streckenabschnitt genoss ich ein Bad in der Xwieni Bucht. Als ich mich wieder anzog und weiter schritt, begann es zu regnen. Eine Wolke hatte sich verirrt und liess grosse Tropfen hinunterfallen. Das ganze Spektakel dauerte jedoch nicht lange. Die Folge davon war, dass es nun noch schwüler war als vorher. Regen, Schweiss hin und her, als ich beim Punto Santa Maria in die Bucht von Marsalforn einbog war ich komplett durchnässt.
Ich liess mich sogleich im Restaurant Il Gabbiano nieder, wo ich bereits einige Male sehr gut gegessen hatte. Ich bestellte wiederum geräucherten Lampuki mit Salat und genoss bei einem guten Buch die Aussicht auf das plätschernde Meer vor meinen Füssen.
Mein heutiger Übernachtungsort war das Hotel Il-Plajja in der Mitte der Strandpromenade. Die Zimmer waren alt, klein und schmutzig. Doch eine Unterkunft für eine Nacht zu finden war an dem Ort gar nicht so einfach. Es gab auch schlechtere.
Als ich mich nach einem Nachmittagsnickerchen erneut auf zum Restaurant Il Gabbiano machte, fiel an weiten Teilen des Ortes der Strom aus. Die ganze Strandpromenade mit Hotels und Restaurants war auf einmal dunkel. Einzelne wenige Gebäude hatten einen Dieselgenerator. Wiederum andere halfen sich mit mobilen LED Leuchten oder Kerzen. Ein solcher "Notfallplan" ist hier auf Gozo nötig, denn der Strom fiel während meines Aufenthaltes einige Male aus. Langsam bekam die Bucht eine völlig neue romantische Szenerie.
Noch lange sass ich direkt am Meer und las im Buch von Gregor Sieböck mit dem Titel "Der Weltenwanderer – Zu Fuss um die halbe Welt". Auch Gregor, den ich vor ein paar Jahren bei einem Diavortrag in Basel persönlich kennengelernt hatte, war in der Geschichte dieses Buches ebenfalls alleine auf Wanderschaft. Obwohl er in einem völlig anderen Kontext und Umfang unterwegs war, gab es doch die eine oder andere Gemeinsamkeit. Vor allem aber gaben mir seine Texte Gedankenanstösse, welche mich auf meinen Wandertagen beschäftigten. Beim alleinigen Gehen ohne Hektik hat man eben Zeit zum nachdenken – und das mag ich sehr, wenn ich mehrere Tage nur mit mir selbst unterwegs bin.
Weitere Fotos vom Freitag, 20. September 2019
Samstag, 21. September 2019 – Etappe 3: Marsalforn - Nadur
Auf einen Fussweg entlang der Küste hatte ich heute Lust. Ich folgte dem grünen, sehr fruchtbaren Wied ta'Marsalform ins Landesinnere in Richtung Victoria, welche auch den Namen Rabat trägt. Unter schattigen Bäumen entlang des Bachlaufs erblickte ich neue Facetten der Insel. Für eine kurze Dauer war alles um mich herum grün und verschiedene Blüten sorgten für erfreuliche Farbtupfer in der Landschaft.
Ich passierte dabei Dattel- und Olivenplantagen, wobei mich die Jesusfigur Tas-Salvatur hoch oben auf dem Hügel stetig im Auge behielt und mich begleitete. Nach dem Aufstieg zum Aussichtspunkt Ta'Sansuna schlenderte ich durch die Stadt Xaghra mit dem Ziel, bei Ir-Ramla wieder an das Meer zu stossen.
Der Weg dorthin folgte meist der Strasse entlang und wäre eigentlich ganz nett zu gehen. Doch an den Ecken und Kurven löst ein Verbotsschild das andere ab. "Keep out", "Private", "Danger": Fremde waren hier einmal mehr nicht willkommen.
Doch wenn keine "Fremde" hier entlangkommen, woher kommt dann der immense Abfall auf den Feldern und Wegen? Von den Bauern selbst? Den Jägern? Oder jene, die eben hier entlang dürfen?
Es war auch am heutigen Tage wieder schockierend, wie viel Müll auf dieser Insel herumliegt und wie viel illegale "Entsorgung" hier betrieben wird! Selbst auf den bewirtschafteten Feldern liegen zwischen dem heranwachsenden Gemüse PET-Flaschen und Bierdosen herum. Jeden Meter findet man Munitionsreste und vom Wind herangeblasene Plastikfolien.
Auch wenn hier BIO Landwirtschaft betrieben wird, so kann das Geerntete nicht wirklich gesund sein. Die ganzen Farbstoffe, Metalle und Chemikalien des herumliegenden Mülls werden sich in den Produkten wiederfinden. Wenn ich diesbezüglich die letzten Tage meiner Wanderschaft reflektiere, ist diese Insel regelrecht verdreckt und das Ökosystem mal deutlich ausgedrückt bald am Arsch. Dies lässt sich auch auf die Tierwelt nieder deren Bestände in allen Gattungen rückläufig ist.
Was ich an der Sache nicht verstehe ist der Mindset der Bevölkerung? Es ist ja nicht so, dass es den Leuten hier schlecht geht und deswegen alles egal wäre. Wie kann ich ein Feld bestellen in dessen einem Eck die Reste eines Kinderwagens liegen und auf der anderen Seite ein vor sich her rostender Computer? Wie kann ich in einem Jagdunterstand stundenlang sitzen, wenn sich rundherum die Bierdosen, PET-Flaschen und verbrauchten Patronenhülsen häufen.
Als ich in der wunderschönen Ramla Bay ankam, erlebte ich wiederum die touristische Seite und dessen Einfluss auf das Insel-Ökosystem. Auch hier stelle ich eine Überdosis an Angeboten fest: Sonnenliegen, Gleitschirmfliegen, Motorboot, Tauchgänge, Jetski, Spassfischen u.v.m. Braucht es diese Dinge wirklich auf dieser kleinen Insel? Wie viele Touristen kann Gozo überhaupt bewältigen und was mag das ganze System vertragen, bevor es kollabiert? Man stelle sich nur einmal vor, was ein Pauschaltourist in einer Woche an Abfall produziert und wie viel Energie für den Aufenthalt verbracht wird…
Nach einem Bad im Meer schritt ich direkt an der Küste voran mit dem festen Vorsatz, keine Apostelgedanken mehr zu haben. Denn ein Apostel bin ich schliesslich nicht. Ich widmete meine Aufmerksamkeit den schönen Dingen und kam nach einigen Kletterstellen in der lieblichen Bucht San Blas an. Bei der Strandbeiz genoss ich ein kaltes Cisk, einen Tomatensalat mit Tunfisch und erfreute mich am herrlichen Ausblick auf das tosende Meer vor mir. Es gab sie also noch, die kleinen ruhigen Orte, wo Hektik ein Fremdwort ist.
Ich lernte Stevens den Betreiber des Kiosks kennen. Auf einem grossen Schild war geschrieben, dass "on request" auch abends der Kiosk mit "Barbecue-Specials" geöffnet sei. Auf meine Frage, ob auch heute Abend ein Barbecue stattfindet und der Kiosk geöffnet war, meinte Stevens, dass sich eine Gruppe angemeldet hat und auch ich willkommen sei.
So richtig glaubte er mir nicht, dass ich dann am Abend doch kommen würde. Doch ich ging. Schliesslich war der Kiosk am 200 Höhenmeter tiefer gelegenen Bay von San Blas der nächst gelegene Verpflegungsort von Gozo B&B, wo ich heute nächtigte. Weitere Restaurants waren in Nadur zu finden, doch dazu würde ich den Bus benötigen.
Das Gozo B&B befand sich in einem sehr alten, rustikalen und typischen Häuserverbund. Enge Treppen, verwinkelte Zimmer, den obligaten Pool auf dem Dach und eine herrliche Dachterrasse die zum Verweilen einlud. "Mein" Zimmer war ursprünglich eine Garage oder vermutlich noch vorher der Stall. Ein riesiger Raum, in dessen nachträglich eine Dusche eingebaut und der Boden gepflastert wurde. Sehr originell.
Den Abend verbrachte ich wie geplant in der Bucht. Stevens deckte für die Gesellschaft gross auf. Ich hatte meinen Lieblingsplatz mit Sicht auf das Meer eingenommen und durfte bei allem mitessen. Als Hauptgang hatte ich dann einen leckeren King-Brown-Spiess vom Holzofengrill.
Das Ganze zog sich jedoch hin. Nach drei Stunden Essen, Buchlesen, Essen, Buchlesen und dem Dessert (Stevens bestand darauf und ich durfte nicht früher gehen), machte ich mich dann auf den Heimweg. Nach einer erfrischenden Dusche war ich schliesslich auch gleich dahin.
Weitere Fotos vom Samstag, 21. September 2019
Sonntag, 22. September 2019 – Etappe 4: Nadur - Mgarr
Schon stand die letzte Etappe der Inselumrundung von Gozo an. Fertig gepackt und für neue Taten bereit, betrat ich den Gemeinschaftsraum des Gozo B&B, wo jeder sich sein Frühstück selbst zubereiten konnte. Mit vollem Teller schritt ich auf die Terrasse hinaus und setzte mich. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Himmel wolkenverhangen war und das Wetter alles andere als rosig aussah!
Egal, bei diesen hohen Temperaturen konnte es gerne auch mal regnen, doch die Sonnencreme auf der Haut hätte ich mir wirklich sparen können.
Gegen 09:00 Uhr lief ich los und wählte prompt den falschen Wanderweg. Eine halbe Stunde später stand ich wieder am Ortseingang und folgte nun der richtigen Strasse, welche in das Wied Dahlet Qorrot hineinführte. Bald wechselte ich auf einen der spannendsten Wanderpfade der Insel. Es ging über Stock und Stein, die Umgebung war grün und die Aussicht fantastisch.
Plötzlich erblickte ich zu meiner rechten den Tower of Power des Kletterspots bei San Blas. Der Monolith thronte aus meiner Perspektive vor der mächtigen Felswand, wo sich oberhalb der Ta'Spou Tower befindet. Erinnerungen an die genialen Seillängen an dem perfekten Felsen kamen mir in den Sinn. War dies doch etwas vom Besten was Dominik und ich in Gozo geklettert hatten.
Als ich den Dahlet Qorrot Beach erreichte, begann es zu regnen und die Luft wurde noch feuchter. Dafür wurde es zunehmend windiger – und das gerade heute, wo ich das letzte Wanderstück zurück zum Hafen von Mgarr entlang der steilen und ausgesetzten Südküste gehen musste. Stand doch im Wanderführer, dass bei schlechtem Wetter der innere Landwanderweg vorzuziehen ist. Doch das wollte ich nicht.
Mein nächstes Ziel hiess Qala. Erfreulicherweise auch eine ältere Ortschaft, die ihren Charme behalten hatte und zu dem eine hübsche Kirche gehört. Auf der Zubringerstrasse hinunter zum Meer erreichte ich das Hondoq Bay. Der ganze Strand war aufgrund des Wetters menschenleer. Nur zwei Life Guards sassen gelangweilt in Ihren Stühlen und zählten die hier zahlreich vorkommenden Quallen.
Trotz des Windes und Regens nahm ich das letzte Stück zurück zum Hafen von Mgarr oberhalb der Klippen. Es fühlte sich hervorragend an, die Naturkräfte am Körper zu spüren. Wirklich nass wurde ich dabei auch nicht. Irgendwie trocknete alles gleich wieder.
Bereits kurz vor 12:00 Uhr beendete ich die Umrundung von Gozo erfolgreich. Ich wanderte hoch nach Ghajnsielem, stieg ins parkierte Auto und fuhr zum Farfett B&B, wo ich bei Daniela die deponierte Tasche abholte. Dann ging meine Reise weiter mit der Fähre nach Malta, um in Saint Paul's Bay das Northside Apartment entgegen zu nehmen, bevor Tanja und die Kinder am Flughafen von Malta eintrafen. In St. Paul’s Bay würde ich mit der ganzen Familie eine Woche lang bleiben und einen Englisch-Sprachkurs besuchen.
Das Northside Apartment liegt im vierten Stock und ist grosszügig gebaut. Die drei Schlafzimmer mit zwei Bädern und der riesigen Küche sind jedoch schon ein wenig in die Jahre gekommen und gehörten renoviert. Auch die Lederstühle sollten dringend mal ersetzt werden. Allgemein ist die Gegend rund um St. Pauls Bay ein wenig heruntergekommen und hat die beste Zeit vermutlich bereits hinter sich. Doch dafür lag die Sprachschule von GV-Malta gleich um den Block.
Nachdem ich Tanja, Emilia und Luca vom Flughafen abgeholt hatte, fuhren wir zurück ins Apartment und ich kochte eine leckere Pasta zum Abendessen. Währenddessen konnten sie auspacken und sich frisch machen. Dann feierten wir noch kurz Tanjas Geburtstag, der ja auch noch heute war. Erst kurz vor zwölf kamen wir schliesslich ins Bett.