Eseltrekking Frankreich
Montag, 09. August 2021 – Tag 2: Les Vordaignes - Darbounouse
Die erste Nacht war kalt. Vor allem Emilia litt in ihrem dünnen Sommerschlafsack sehr und ich bedeckte sie noch zusätzlich mit Decken und Packsäcken. Doch die Kälte kam auch durch die dünne Isomatte, da kam der heisse Frühstückstee am Morgen gerade richtig.
Obschon es Sommer war, fielen die Temperaturen hier auf 1'200 Metern in der Nacht auf den einstelligen Bereich. Am Tage heiss, in der Nacht kalt. Doch dafür konnten wir auch unter einem exzellenten, wolkenfreien Sternenhimmel übernachten.
Mit steifen Gliedern richteten wir das Frühstück her und bauten die Zelte ab. Bis wir alles verstaut und gesattelt hatten, benötigten wir über eine Stunde. Um 10:30 Uhr starteten wir schliesslich auf zur zweiten Etappe mit dem Zielort Darbounouse.
Wir schlenderten reizvollen Waldlichtungen entlang und durch dichte Waldabschnitte, ehe wir uns der Ortschaft Corrençon en Vercors näherten. Es war interessant, die Häuser und Siedlungen des Skiortes beim Vorbeigehen genauer anzuschauen. Viele schön gebaute Ferienhäuser waren hier zu sehen, welche vor allem in den Wintermonaten belebt werden.
Bei Les Trois Fontaines befand sich der offizielle Eingang in den Nationalpark von Vercors und Start des bekannten Wanderwegs GR 91. Hier konnten wir auch unsere Wasservorräte nochmals komplett auffüllen. Diese mussten für die nächsten eineinhalb Tage reichen.
Doch just beim Eingangstor des Nationalparks unter Beobachtung von zahlreichen anderen Wandersleuten fingen Tilleul und Vladimir erneut an zu bocken. Es half nichts – ein Weiterkommen war nicht möglich. Wir probierten wiederum zahlreiche Möglichkeiten aus, die Tiere zu motivieren weiterzugehen, doch diese standen völlig desinteressiert in der prallen Sonne.
Es musste also ein grösserer Stock her, nur so war ein Weiterkommen möglich. Zu diesem Entschluss kamen wir rund eine Stunde später. Und tatsächlich, die Karawane zog – mit einem schweren Holzstecken in unseren Händen – im gemächlichen Tempo weiter, als ob nichts gewesen wäre. Es fiel uns schwer mit Schlägen die Tiere anzutreiben. Zum Glück mussten wir das aber nicht allzu oft, denn wir hielten nur unseren grossen Stock hoch und die Esel marschierten dann von selbst. Erst bei unserer Rückkehr erfuhren wir, dass die Esel sehr oft und gerne bocken, wenn sich viele Leute in ihrer Umgebung befinden. So wie bspw. am Tag zuvor bei der Flussüberquerung. Sie fühlen sich da im Mittelpunkt und irgendwie mögen sie diese Aufmerksamkeit. Uns würde so ein längeres Bocken nicht mehr passieren, kannten wir nun das Handwerk eines Eseltreibers.
Der nun folgende Abschnitt auf dem GR 91 war wunderschön. Der Weg, am Anfang noch breit, dann immer schmaler werdend, ist perfekt ausgeschildert und sehr abwechslungsreich. Hinter jeder Kurve gibt es etwas zu entdecken, so dass es einem nie langweilig wird.
Wir kamen sehr gut voran. Mit gemächlichem, aber konstanten Tempo, marschierten wir der nicht bewirteten Nothütte Cabane des Carrette entgegen. Dann zog sich unser weg ostwärts hinauf bis zur Hochebene Darbounousse auf knapp 1'400 Meter, wo wir einen fantastischen Übernachtungsplatz für unser Nachtlager fanden.
Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. So ein toller Platz in der wilden Natur, umgeben von einer spektakulären Landschaft mit Bergen, Wiesen und Wäldern. Besser konnten wir es nicht haben. Noch lange sassen wir am Abend draussen vor den Zelten, beobachteten erst den orange-roten Sonnenuntergang, anschliessend die Milchstrasse, die Sternenbilder und die Sternschnuppen.
Doch auch diese Nacht würde kalt werden. Mit den wärmsten Kleidern am Körper, schlüpften wir schliesslich müde, aber sehr zufrieden in unsere Schlafsäcke.