Cima dell’Uomo & Gaggio
Zweitägige Bergwanderung auf die Tessiner Berggipfel Cima dell’Uomo und Gaggio.
Samstag, 14. September 2024
Ich traf Dominik auf dem Weg ins Tessin am Bahnhof in Olten. Er war bereits im IC21, dessen Fahrtroute direkt durch den Gotthard-Basistunnel mit Destination Lugano verlief.
Vor ein paar Tagen suchte ein Wintereinbruch die Schweiz heim und obwohl es erst Mitte September war, fiel bereits einiges an Schnee in den höheren Lagen. Eine Hochtour war also, auch aufgrund der schlechten Wettervorhersage, leider nicht mehr möglich. Wie immer, gab es jedoch die Alternative Tessin, wo meist anderes Wetter als im Norden der Schweiz herrschte.
In Bellinzona stiegen wir in die S20 um und fuhren zu unserem Ausgangsort Gordola. Unsere Wanderung startete gleich am Bahnhof. Wir marschierten nordwärts und tauchten wenig später beim Valle de la Pentina in dichten Wald ein.
Von nun an verlief der schmale, jedoch gut ausgebaute Bergweg stetig in die Höhe. In etlichen Zickzacks und Kehren stiegen wir durch Kastanien-, Tannen- und Buchenwälder hinauf nach Monti Sassalto, Bazzade und weiter nach Monti Motti.
In der Osteria Monti Motti gab es dann eine feine Tessiner Polenta mit Hirschragout zum Mittagessen. Eine Stunde später wanderten wir weiter zum Felsvorsprung Sassariente, welcher mit seinem grossen Metallkreuz ein tolles Ausflugsziel darstellt und von vielen Wanderern besucht wird. Der blau-weisse Holzsteig, welcher mit Ketten, Tritten und Brücken gesichert ist, war spektakulär zu begehen. Schwindelfrei sollte man bei diesem Abstecher zum Gipfel schon sein.
Mir machten nur einen kurzen Halt und zogen bald weiter auf den Höheweg zum Cima di Sassello. Der Weg führte fortan einer aufwendig erstellten Trockensteinmauer entlang. Gemäss einem Bericht des SAC wurde diese 1,150 kilometerlange Mauer um die 1950er Jahre erstellt, um Zitat «frisch gepflanzte Bäumchen in der Gegend vor gefrässigen Ziegen zu schützen». Für mich kaum vorstellbar, dass die flinken Vierbeiner nicht einfach darüber stolzierten.
Wir folgten diesem Monument der Geschichte weiter nach Forcola auf dem Bergweg neben und manchmal auf der Mauer. Auf der SAC-Wanderkarte ist dieser blauweiss eingezeichnet, in der Realität jedoch rot-weiss markiert und stellt im Gegensatz zu dem Gipfelaufschwung auf den Sassariente überhaupt keine Herausforderung dar.
Der weitere Weg zu unserer Unterkunft, die Capana Borgna, erfolgte dann unterhalb der Westflanke des Grates von Madonetto. Um 16:30 Uhr trafen wir nach fünf Stunden und 20 Minuten reiner Wanderzeit dort ein. Im Ganzen bestritten wir 2‘187 Höhenmeter auf einer Distanz von 15,5 Kilometern. Wir hatten uns die grossartige Aussicht von der Hütte aus verdient!
Sonntag, 15. September 2024
Wir verbrachten die Nacht in der Dependance neben der Hütte in einem kleinen Steinhaus, wo sich unten zwei Toiletten und der Waschraum befanden. Bei kuscheligen Verhältnissen hätten dort bis zu 12 Personen Platz; wir teilten den Raum in dieser Nacht jedoch nur mit drei weiteren Personen.
Als wir um 06:45 Uhr die Cabanna Borgna betraten war noch alles still. Wir kochten Wasser für den Frühstückstee und assen ein Konfibrot. Nach und nach kamen dann die vom Vorabend bekannten Gesichter die steile Treppe vom Schlafraum hinunter.
Um 07:30 Uhr wanderten wir los in Richtung Bocchetta di Medee. Der Wind war eisig kalt und ich war froh über meine lange Thermounterwäsche, Mütze und Daunenjacke.
Das erste Gipfelziel war der Cima dell‘Uomo, den wir mit finalem Kraxeln über die Südostseite erklommen. Laut Kartenmaterial und Markierung handelt es sich um einen rotweissen Wanderweg; doch wir beide schätzten diesen Aufstieg als blauweissen Pfad ein. Für den Schlussaufstieg muss auch mal kurz im zweiten Grad geklettert werden.
Doch der Erklimmer wird für seinen Einsatz auf dem Gipfel mit einem grandiosen Rundumpanorama belohnt, welches bis Mailand reicht. Dank dem frühen Schneefall in den hohen Bergregionen war die Aussicht auf die weiss gefärbten Alpenriesen ein Augenschein.
Der eiskalte Wind mit seinen starken Böen liess jedoch einen längeren Aufenthalt nicht zu. Schnell kletterten wir die Rinnen wieder hinunter und schritten weiter zum Bocchetta della Cima dell’Uomo. Hier folgen wir dem alpinen Wanderweg und passierten nordseitig den Cima d’Erbea. Die steinerne Landschaft war gewaltig und wir kleinen Menschen so unscheinbar.
Das nächste Ziel war der Gipfel von Gaggio. Ein toller Pfad führte uns über den Grasrücken bis zum überdimensionalen Gipfelkreuz. Hier hatten wir den Plan, vom Nordostgrat hinüber zum Gipfel des Cimetta zu schreiten, um bei der Alpe Aspra wieder auf den Wanderweg zu treffen. Doch der Wind und die Böen waren derart stark, dass wir uns entschieden, hinunter zur Capanna Albagno zu steigen. Ein Weitergehen auf dem Grat bei diesen eiskalten, sturmartigen Winden war nicht zu verantworten.
Zur Überraschung war die Hütte bewirtet und wir erhielten einen frischen Cappuccino, den man mit 5 von 5 Sternen bewerten konnte. Der neue Plan sah vor, bis Baltich und dann nach Carasso hinunterzuwandern. 2’000 Höhenmeter Abstieg lagen noch vor uns, doch der gewählte Weg im Wald war wunderschön und sehr angenehm zu gehen.
Um 14:30 Uhr erreichten wir schliesslich nach 900 Höhenmetern Aufstieg, 18,5 Kilometern Distanz und 2’390 Höhenmetern Abstieg, den Bahnhof von Bellinzona.
Die Tessiner Berge haben bei uns nach diesen zwei Tagen wieder mehr an Bedeutung gewonnen. Sie sind schlichtweg einzigartig. Nur hoffe ich, dass beim nächsten Besuch der Wind und vor allem die Temperaturen etwas angenehmer sein werden!