Engelhörner

Klettern an den wilden Engelhörnern hoch oben zwischen dem Reichenbach- und Urbachtal.

Blick auf die raue Nordwand der Kingspitze.
Blick auf die raue Nordwand der Kingspitze.

Samstag, 15. Juli 2017 - Haslizwerg

Für einen Besuch der Engelhörner nahmen Dominik und ich uns gleich drei Tage Zeit. Die liebliche Landschaft ist gut mit dem Auto erreichbar und bereits die Anreise dem Lungerersee entlang über den Brünigpass hinunter nach Meiringen ein empfehlenswerter Ausflug. Es folgte die steile und abenteuerliche Fahrt hinauf nach Rosenlaui in Richtung grosse Scheidegg. Bei Gschwandtenmad verliessen wir schliesslich die geteerte Scheideggstrasse und fuhren hoch zum Parkplatz Engelhorn, wo wir das Auto abstellten. Bei der Sennhütte auf der Alp Grossrychenbach bezahlten wir die Gebühr für die Benutzung der Privatstrasse. 

Die Engelhornhütte.
Die Engelhornhütte.

Der Weg hinauf zur Engelhornhütte war gut ausgebaut und beschildert. Wir passierten die Wegpunkte Graaggistein und Graaggi, ehe wir der Höhenlinie folgend unsere Unterkunft für die nächsten drei Tage erreichten.

Die kleine, rustikale Berghütte des akademischen Alpenclubs Bern liegt mit toller Aussicht am nordöstlichen Ende des Ochsetales oberhalb des Reichenbachtales. Hier deponierten wir unser Gepäck, tranken einen Kaffee und zogen mit unserer Kletterausrüstung weiter in Richtung Nordostwand des Rosenlauistocks.

Abstieg vom Gipfel hinunter zur Scharte.
Abstieg vom Gipfel hinunter zur Scharte.
Edelweiss
Edelweiss

Über Schrofen stiegen wir hoch zum Einstieg der Route Haslizwerg (6a). Da schon zwei andere Seilschaften in der Route kletterten, gingen wir rechts im Couloir hoch, danach links über das Band zum Einstieg der Westkante, wo wir die zwei Seillängen 2b und 5c kletterten und schliesslich in die Route des Haslizwerg querten.

Es folgten sechs weitere Seillängen in den Schwierigkeitsgraden 6a, 5c+, 6a, 4b, 6a, 4b. Als wir schliesslich den Ausstieg erreichten, war am "Gipfel" des Rosenlauistocks (2'198m) viel Betrieb. Zahlreiche Seilschaften tummelten sich am Fels an diesem schönen Samstagnachmittag.

Weit unten im Tal die Rosenlaui.
Weit unten im Tal die Rosenlaui.

Es folgte eine exponierte Kletter- und Kraxelstelle im Niveau T6 zur Scharte hinunter und von dort im Steilgelände auf schmalem Weg zur Abseilstelle. Wir wanderten dann zurück zum Einstieg des Haslizwergs und kletterten die ersten drei Seillängen (6a, 4b, 5b) nach, welche wir zuvor aufgrund der anderen Seilschaften umgingen; schliesslich wollten wir die ganze Route geklettert haben!

Blick aus der Engelhornhütte.
Blick aus der Engelhornhütte.

Zu erwähnen gibt es hier, dass die erste Seillänge im Schwierigkeitsgart 6a auf der Traverse nach rechts sehr schlecht abgesichert ist und keine Möglichkeit besteht, eine mobile Sicherung zu legen! Bestimmt hat diese Stelle der ersten Seillänge schon viele Seilschaften vor dem Weitergehen der Route abgehalten. Schade, denn ein weiterer Borhacken könnte sie Situation entschärfen.

Den Abend verbrachten wir in der heimeligen, traditionellen Hütte bei angenehmer Gesellschaft und gutem Essen.

Weitere Fotos vom Samstag, 15. Juli 2017

Sonntag, 16. Juli 2017 - Vorderspitze: Kombination Näbel u Chempä/Westkante 6a

Heute war unser grosser Klettertag – wir wollten auf die markante Vorderspitze (2'619m) aus dem Ochsental über die Route Näbel u Chempä aufsteigen. Da dieses Klettergebiet seine stark besuchten Tage schon lange hinter sich hat, erwarteten wir einen einsamen Tag am Fels. Doch wie es der Zufall wollte, hatte eine weitere Zweierseilschaft die gleiche Idee. Doch wirklich in die Quere kamen wir uns nicht, da Dominik und ich einige Seillängen in der klassischen Westkannte kletterten. 

Ausgesetzte, alpine Kletterei :-)
Ausgesetzte, alpine Kletterei :-)

Der Zustieg erfolgte über die (feuchte) dritte Rinne unterhalb des Bergmassivs, in welcher sich ein riesiger Klemmblock befand, den es zu umklettern galt. Mit ein wenig würgen und fluchen erreichten wir bald die Schrofen und querten über ein schuttiges Band auf die rechte Seite. Hier war auch ein Bohrhaken zur Sicherung angebracht.


Es folgte ein leichter Anstieg nach Norden, immer in Richtung Westkannte der Vorderspitze bis zum angeschriebenen Einstieg mit Standplatz. Hier starteten wir schliesslich in die Kletterei mit den folgenden Seillängen (Bewertung gem. Plaisier West):

  • SL1 NuC 5a Abwärts geschichteter Fels mit guten Tritten
  • SL2 NuC 5b Abwärts geschichteter Fels mit guten Tritten
  • SL3 WK 4a Klassische Querung mit Bruch auf Band
  • SL4 WK 4b Klassischer Aufstieg in Kamin, ein paar BH, Stand schlecht sichtbar, kurz vorher hat's einen Riss mit Gebrauchsspuren für Friend, circa 2m darüber ist der Stand :-)
  • SL5 WK 4b Auf aufsteigendem Band, recht einfach
  • SL6 NuC 4c
  • SL7 NuC 5c+ Toller Fels, nach oben hin Tendenz zum 6. Franzosengrad
  • SL8 NuC 6a/WK 4b Toller Fels, nach ein paar Metern nach rechts weg zum Stand der Westkante
  • SL9 WK 4b Kurz hoch und dann Querung
  • SL10 WK 5b Exponierte Querung mit guten Griffen und verdammt viel Luft unter dem Hinterteil
  • SL11 WK 4b Exponierte Querung mit guten Griffen und verdammt viel Luft unter dem Hinterteil
  • SL12 WK 5b Sehr schöne Abschluss-SL in bestem Fels (Wasserrillen)
Man beachte die Grössenverhältnisse!
Man beachte die Grössenverhältnisse!

Die ganze Unternehmung war sehr alpin in einer traumhaften Kulisse, welche das Kletterherz höherschlagen liess. Ringsum ragten spitzige Felswände empor und die Aussicht auf die Engelhorngruppe war traumhaft wild.

Ausblick vom Gipfel der Vorderspitze.
Ausblick vom Gipfel der Vorderspitze.

Der Abstieg verlief über die schuttige Nordflanke mit vielen verwirrenden Spuren. Es folgte eine Abstiegsstelle über glatte, aufwärtsgerichtete Platten bis zu einem markanten Gendarmen, wo wir über die eingerichtete Abseilstelle ca. 20 Meter runterseilten.

Es folgte erneut eine 2x20 Meter Abseilpiste hinunter zum Simelisattel von wo aus wir nach dem überqueren von Schrofen linkshaltend zurück in Richtung der dritten Rinne abstiegen. Das sogenannte "Loch" passierten wir linkerhand und gelangten allmählich zur Westkante der Vorderspitze, wo sich der Einstieg befand.

Summit Picture
Summit Picture

Oberhalb der 3. Rinne, welche wir im Aufstieg hinaufkraxelten, befand sich circa zwei Meter unterhalb des Pfades eine Abseilstelle mit Kette. Von hier seilten wir 20 Meter hinunter direkt zum ursprünglichen Einstiegspfad.

Auf dem Weg zurück in die Hütte mussten wir immer wieder innehalten und uns die gekletterte Felsnadel ansehen. Was für eine majestätische Felserscheinung die wir heute klettern durften.

Gipfelstürmer Dominik.
Gipfelstürmer Dominik.
Der stolze Blick zurück :)
Der stolze Blick zurück :)

Beim Abendessen herrschte natürlich entsprechende Freude und Hochstimmung. Zusammenfassend fand ich das Fazit von Dominik sehr treffen und rezitiere somit:

 

     "Ziemlich wilde Angelegenheit mit guter Absicherung in der Näbel u Chempä und alpin mit Muniring und uralten Schlaghaken in der Westkante (ausser die drei letzten SL, welche saniert sind). Der Zu- sowie Abstieg haben es in sich und sollten bezüglich Länge wie Schwierigkeit nicht unterschätzt werden. Viel Potenzial für Steinschlag; wenn eine andere Seilschaft unterwegs ist, muss man verdammt aufpassen. Uns hat's gefallen!"

Blick ins Ochsental mit Vorderspitze.
Blick ins Ochsental mit Vorderspitze.

Weitere Fotos vom Sonntag, 16. Juli 2017

Montag, 17. Juli 2017 – Schneewittchen 6a

Heute begaben wir uns in den Klettergarten unterhalb des grossen Simeler. Nach der gestrigen Kletteraktion an der Vorderspitze wollten wir eine kürzere Tour in Angriff nehmen. Hier suchten wir lange Zeit die Route Schneewittchen. Sie befand sich auf dem Band, welches benutzt wird, wenn die Überschreitung des Klein- und Gross-Simeler begangen wird.

Doch das Topo bzw. der eingezeichnete Routenverlauf auf dem Foto im Kletterführer Filidor ist schlichtweg falsch! Die Route, welche nicht angeschrieben ist, befand sich links von der grossen Verschneidung nach einem kleinen Überhang. Wenn man unter sich den Stand der Route "Tatzelwurm" sieht, dann ist man richtig!


Auch das skizzierte Topo im Führer war zum Glück richtig. So genossen wir sechs tolle Seillängen in schönem, meist plattigen Fels. Einzig nach der zweiten Seillänge muss mal ein Grassband überquert werden. Doch dafür entschädigt die letzte Seillänge mit purem Klettergenuss!

Schneewittchen ist nicht unbedingt eine Anfängerroute wie der Name vermitteln könnte. So liegen die Seillängen in folgenden Schwierigkeitsgraden: 6a, 5a, 5c+, 6a, 6a, 5b

Dominik beim Abseilen oberhalb des Felsausbruchs.
Dominik beim Abseilen oberhalb des Felsausbruchs.

Beim letzten Mal runterseilen, kurz oberhalb des Pfades auf der ersten Seillänge, wiederfuhr mir noch ein eindrücklicher Schreckensmoment. Unter meinen Füssen brach ein Meter grosser Felsbrocken weg und donnerte bis hinunter auf den Wanderweg im Tal. Zum Glück befand sich dort niemand, ansonsten hätte dies böse ausgehen können.

Es zeigte uns wieder mal wie schnell etwas passieren kann und dass trotz Vorsicht in den Bergen immer Restrisiken bestehen. Die Stelle mit dem morschen Felsen ist u. E. mit dem Wegfall des Brockens noch nicht sauber geräumt. Seilschaften in der ersten Seillänge haben jedoch nichts zu befürchten, da sich die Stelle weiter rechts vom Stand befindet. Einzig beim Abseilen ist Vorsicht geboten.

Ausblick von der Terrasse der Engelhornhütte.
Ausblick von der Terrasse der Engelhornhütte.

Mit der Begehung dieser Tour beendeten wir unser verlängertes Wochenende bei den Engelhörnern und stiegen über die Engelhornhütte wieder hinunter zur Rychenbachalp zu unserem Auto. Doch als wir losfuhren wussten wir beide, dass wir wieder hierherkommen würden. Es gibt noch viele Routen in diesen faszinierenden, sehr wilden Felswänden des Ochsentals.

Weitere Fotos vom Montag, 17. Juli 2017