Tiefenstock (3'515m)
Ein sehr schöner 3000er im Furkagebiet, welcher die eine odere andere Überraschung mit sich bringt.
Sonntag, 18. August 2020
Der Tiefenstock wird weniger begangen als sein bekannter Nachbar der Gallenstock. Auch der Zustieg ist um einiges länger und abenteuerlicher; was wir noch erfahren würden. Gestartet sind Dominik und ich an diesem Sonntagmorgen vom Parkplatz der Albert-Heim-Hütte oberhalb von Tiefenbach, wo wir im VW-Bus übernachteten.
Auf dem breit ausgebauten Hüttenweg schritten wir mit den Bergschuhen in Richtung Albert-Heim-Hütte los. Mit dabei das Klettergurt, Seil, Pickel, Steigeisen und minimales Klettermaterial. Bei der Verzweigung an der Brücke verliessen wir den Hauptweg und folgten dem Tiefenbach in Richtung Tiefengletscher nach Westen.
Weiter dem Tiefenbach folgend, boten sich uns schockierende Bilder. Dort wo vor 10 Jahren noch fester Gletscher war, tummeln sich Flüsschen und Seen. Der Gletscher ist aufgrund der Erderwärmung derart zurückgegangen, dass sich das Landschaftsbild komplett änderte. Markierungen mit Jahresangaben weisen auf den Gletscherschwund hin, der ungebremst weitergeht.
Aufgrund des Rückgangs ist auch der Zustieg auf den oberen Tiefengletscher schwieriger und vor allem gefährlicher geworden. Eisbrücken drohen einzubrechen, von den Flanken auf der Südseite bricht regelmässig etwas aus und der Aufstieg über ein sehr instabiles Schotterfeld lädt nicht gerade zur Begehung ein.
Auch uns ist dies zu suspekt und wir finden nach langem Suchen weiter westlich, zwischen den grossen ausgewaschenen Felsstufen, einen Durchschlupf. Doch wir verloren dadurch viel Zeit. Erst als wir wenig später auf eine andere Seilschaft trafen, welche bereits im Abstieg vom Tiefenstock war, stieg die Motivation wieder.
Die Überquerung des Gletscherschrunds beim Couloir war begehbar und auch der Gipfel konnte ohne grössere Hindernisse erreicht werden. Auch erfuhren wir, dass heutzutage die Normalroute auf den Tiefenstock rechts (östlich) der Berggruppe Pt. 2714 und Pt. 2765 begangen wird. Dort gibt es sogar einen Pfad.
Wir schritten also in einem schnelleren Tempo voran und erreichten bald die Querung im Firn zum Couloir. Hier überraschte uns ein regelrechter Klettersteig, der steil hinauf in das Couloir führte. Früher war der Einstieg direkt möglich, heute muss man zuerst etwa 40m auf Eisentritten hochsteigen.
Das Couloir erreicht, folgten wir der sehr schuttigen Schneise hoch bis zum Grat. Glücklicherweise gibt es ab und zu ein paar Stangen und Muniringe, wo gesichert werden kann. Hier lag so viel loses Material herum, dass wir wirklich vorsichtig hinaufklettern mussten. Zum Glück waren wir alleine unterwegs - mehrere Seilschaften verträgt diese Stelle nicht.
Auf dem Gipfelplateau hinauf zur höchsten Stelle des Tiefenstocks auf 3515m kamen wir aufgrund der Höhe noch ein wenig ins schnaufen. Leider blieb uns die traumhafte Aussicht, u. a. auch auf den Rhonegletscher, verwehrt. Doch dies war im Moment nicht mehr so wichtig, denn es begann zu tröpfeln und wir wollten so schnell als möglich das Couloir hinter uns bringen und wieder den Gletscher unter unseren Füssen haben.
Vom Grat seilten wir dreimal hinunter bis zum Klettersteig. Ich empfehle dringend ein 40m Seil mitzunehmen. Unser 30m Seil war für eine komplette Stand-zu-Stand Absicherung zu kurz.
Zurück auf dem Gletscher, montierten wir die Steigeisen und liefen locker fröhlich die grosse Fläche des vereisten Tiefengletschers runter. Dabei peilten wir den grossen Steinmann auf einer Höhe von etwa 2'780m unterhalb des Südgrates des Gletschhorns an.
Hier gönnten wir uns dann auch eine kurze Essenspause und dankend kam auch die Sonne wieder hinter den Wolken hervor. Der Abstieg in den Kessel des Gletschhorns/Winterstock ist sehr schön und bietet wilde, raue Natur.
Die Albert-Heim-Hütte liessen wir anschliessend links liegen und schritten auf bekanntem Wege zum Hüttenparkplatz. Mit im gedanklichen Rucksack das Gletscherhorn, welches mit seinen Gräten hervorragende Klettereien verspricht.