Petit Combin
Eine vollwertige Hochtour mit Basecamp auf dem kleinen Combin, welcher uns ein unerwartet langes Alpinabenteuer in perfekter Bergkulisse bescherte.
Text: Olli, Dominik
Samstag, 28. August 2021
Der Wetterbericht liess verkünden, dass dieses Wochenende stabiles Bergwetter nur im Wallis anzutreffen sei. Entsprechend suchten Dominik und ich eine Hochtour im Süden der Schweiz. Rahmenbedingungen: Anfahrt Samstagmorgen, keine Hüttenübernachtung, alpin, einsam.
Im Val de Bagnes wurden wir fündig. Dies bedeutete zwar eine lange Anfahrt, doch das Gipfelziel, der Petit Combin versprach so einige Herausforderungen und Freuden. Das Auto parkierten wir bei der Cabane Brunet, zu welcher vom Tal aus (Lourtier) eine Strasse bis nach oben führt.
Von da oben hatten wir einen guten Ausblick hinüber nach Verbier. Doch bald versperrten uns Nebel und Wolken die Sicht und wir mussten im Grauen losmarschieren.
Eigentlich hatten wir geplant, in der Cabane erst noch etwas zu essen, ehe wir losmarschierten, doch der unfreundliche Wirt schenkte uns keine Beachtung. Er hatte es wohl aufgrund der zahlreichen Tagestouristen (die mit dem Auto hochfuhren) nicht nötig freundlich zu sein. Auf dem Weg zum Col de Lâne machten wir dann ein Picknick mit unserem mitgebrachten Essen.
Je näher wir dem Fusse des mächtigen Bergmassives kamen, desto besser wurde das Wetter. In der Nähe des Gletschersees bei Pt 2'662 richteten wir in einer traumhaften Umgebung unser Basecamp ein.
Es war erst Nachmittag. Wir erkundeten die Gegend, stiegen hinauf zum Col de Lâne und entdeckten auf dem Weg wunderschöne Plätze, welche als Biwack-Übernachtungsmöglichkeiten für künftige Abenteuer dienen könnten.
Die Landschaft war traumhaft. Saftige Grasflächen, türkis schimmerndes Gewässer, die weisse Haube des Petit Combin und der blaue Himmel ergaben in ihrer Kombination ein perfektes Bergbild.
Natürlich rekognoszierten wir auch den Petit Combin mit seinen vielen Grate und entschieden schliesslich, morgen früh über den Ostgrat diesen hochzusteigen.
Den frühen Abend verbrachten wir mit Wasserfiltern und -abkochen sowie mit der Zubereitung des Abendessens. Es war bereits kalt und wir speisten im Zelt. Schliesslich begann es auch zu graupeln und so kam es, dass wir bereits um 20:00 Uhr in die Schlafsäcke krochen.
Sonntag, 29. August 2021
Wir hatten den Wecker auf 5:00 Uhr gestellt, um pünktlich zum Sonnenaufgang gegen 7:00 Uhr am Grat zu sein. Dazu geht man über die diversen Schuttfelder und Moränen unterhalb des Glacier du Petit Combin in Richtung Pt 2'765 und wechselten auf die Ostseite des Grates, wo man etwas unterhalb die ersten zwei Türme traversierten, um bei einem Grascouloir in morschem und moosigem Fels die Gratschneide zu erklimmen.
Ab dann geht es in blockigem und meistens recht stabilem Gelände aufwärts. Der Zugang zum ersten Firnfeld ist anfänglich recht steil und wir wollten die Steigeisen noch im Rucksack lassen, daher nutzten wir die Schliffplatten linkerhand, bis sich das Gelände zurücklegte und wir in gutem Trittfirn den markanten Felskopf am Vereinigungspunkt der beiden Grate erreichten.
Dieser Fels wird links (südlich) in der steilen Flanke umgangen. Kurz vor dem mit einer Stange markierten zweiten Aufschwung gibt es die Möglichkeit, bei einem Klemmblock den Grat zu erklettern, wie wir im nachhinein feststellten.
Wir wählten jedoch in Unkenntnis des Weiterwegs die untere Alternative und mussten etwas heikel und ausgesetzt bis zu einem kleinen Couloir traversieren, von wo wir wieder den Grat erreichten. Weiter geht es im Blockgelände bis zum Beginn des schönen Firngrats unterhalb des Gipfels.
Mit einer Steilheit von 45° und hartem Firn waren die Steigeisen obligatorisch. Schon nach kurzer Zeit erreichten wir den flachen Schneegipfel und erfreuten uns an der tollen Aussicht, vor allem auch ins Gebiet des Mont Blanc.
Für den Abstieg hatten wir den WNW-Grat zum Col de Lâne geplant. Dieses Gelände erwies sich aber mangels Firn als sehr instabil und der Wiederaufstieg zum Gratturm bei Pt 3'506 sah äusserst brüchig aus.
Wir diskutierten unsere Optionen und beschlossen, den langen Umweg auf der Normalroute über den Glacier de Corbassière auf uns zu nehmen. Dazu peilten wir zuerst die Scharte bei Pt 3'565 an, welche in feinem Schutt und Wegspuren gut abgestiegen werden kann.
Die erste grössere Spaltenzone beginnt auf ca 3'250m. Dort trafen wir eine andere Zweierseilschaft und beschlossen, uns zwecks Risikoreduktion zu einer grossen Seilschaft zusammenzuhängen. Die Möglichkeit, über die obere Gletscherterrasse in Richtung Pt 3'065 zu nehmen und dort in einem Schuttcouloir abzusteigen, wäre eine Option gewesen, welche wir in Anbetracht des Umkehrrisikos wieder verwarfen.
Später von unten sahen wir, dass es durchaus möglich gewesen wäre, da selbst im Spätsommer noch genug Firn vorhanden ist und sich die Steilheit in Grenzen hält. So stiegen wir zum Glacier de Corbassière ab und hielten uns links auf der NW-Seite, wo wir einen Weg zwischen den zum Glück gut sichtbaren, teils riesigen Spalten fanden.
Auf ca. 2'750m endete die Spaltenzone, wir seilten aus und verabschiedeten uns von den zwei französischsprachigen Kameraden. Der Weiterweg über den flachen und aperen Gletscher zog sich in die Länge und auf der Höhe der Panossière-Hütte (ca. 2'450m) wechselten wir in die Flanke der Moräne, um in der Nähe von Pt 2'491 erstaunlich einfach den Moränenrücken zu erklettern.
Jetzt hoch zum Col des Avouillons 2'649 und auf der anderen Seite auf dem in der Karte noch teilweise eingezeichneten, ehemaligen Wanderweg in Richtung Pt 2'439 absteigen. Auf der grossen Moräne stiegen wir wieder hoch und traversierten zum See bei 2'662m und waren kurz danach zurück bei unseren Zelten.
Wir packten speditiv unsere Sachen zusammen und begannen den Abstieg zum Auto, welches wir nach über 12 Stunden Tourlänge erreichten.
Fazit
Eine tolle Hochtour, welche durch den Abstieg über den Glacier de Corbassière allerdings sehr lang wird, vor allem, wenn man zurück zum Zelt muss. Vermutlich ist der WNW-Grat früher im Jahr deutlich besser zu begehen, wenn an den heiklen Stellen noch Firn liegt. Eine gewisse Toleranz gegenüber lockerem Fels ist Voraussetzung für diese Tour. Die Bewertung WS+ / II in der Führerliteratur für den NO-Grat erachten wir als korrekt.