Kleines Windegghorn
Ausserordentlich genussvolle, alpine Klettertour über den Nordostgart auf das kleine Windegghorn.
Freitag, 20. August 2021
Die einsamen Wochenenden mit Tanja für gemeinsame Ausflüge sind spärlich besäht. Doch dieses Wochenende sollte es wieder einmal klappen. Mit Freude schaute ich auf den Wetterbericht, welcher mir für die Triftregion nur Sonnenschein meldete.
Los ging es Freitagmittag, auf der Autobahn nach Luzern, dann südwärts über den Brünigpass, an Meiringen vorbei in das Gadmertal. Auf der Sustenpassstrasse kehrten wir zum Essen noch im Restaurant Rösti ein. Dort gibt es, wie der Name schon sagt, eine grosse Auswahl an leckeren und empfehlenswerten Röstikreationen.
Um 15:00 Uhr bestiegen wir schliesslich die Gondelbahn von Trift, welche uns in 10 Minuten über die eindrückliche Triftschlucht nach Sunnige Trift brachte. Von dort aus marschierten wir auf dem gut ausgebauten und oft begangenen (touristischen) Wanderweg in Richtung Triftbrücke.
Wir waren die einzigen, welche um diese Zeit noch aufstiegen. Entsprechend konnten wir das luftige Hängebrückenerlebnis ganz für uns allein geniessen. Wir machten bei Pt 1757 eine ausgiebige Pause und bestaunten die eindrückliche Landschaft mit Berggipfeln, Gletscher und Gletschersee.
Doch der Rückgang des Triftgletschers stimmte uns auch nachdenklich. Verglich ich die jetzige Situation mit den Aufnahmen von 2005, ist der Gletscherrückgang frappant! Ob in ein paar Jahren überhaupt noch ein Triftgletscher existiert ist sehr fraglich.
Die Triftbrücke ist ein Erlebnis sondergleichen. Der Ausblick, der Tiefblick, einfach spektakulär und nichts für schwache Nerven. Natürlich mussten hier einige Fotos gemacht werden.
Unser Nachtquartier hatten wir in der Windegghütte reserviert. Um dorthin zu gelangen, stiegen wir den steilen, aber abwechslungsreichen Ketteliweg hoch. Wenig später konnten wir die liebliche Windegghütte mit Nebengebäude bereits erspähen.
An diesem Abend waren vier Parteien zur Übernachtung angemeldet und alle hatten zur grossen Begeisterung und Zufriedenheit ein eigenes Zimmer! Während der Corona-Zeit ist das purer Luxus. Wann hat man mal ein ganzes Massenlager-Zimmer für sich allein?
Samstag, 21. August 2021
Das Frühstück war auf 07:30 Uhr angesetzt. Meines Ermessens sehr spät für eine alpine Hütte. Doch wir hatten es nicht eilig. Wir würden die einzige Seilschaft sein, welche sich über die Route "Adlerblick" auf dem Weg zum Gipfel des kleinen Windegghorns auf den Weg machte.
Eine andere Seilschaft würde die Route über den bekannteren Zaggengrat wählen. Doch dieser gab mir zu wenig her. Da waren wir auf dem Adlerblick mit neun Seillängen (5a, 5b+, 5a, 3a, 3a, 4b, 4a, 3a, 3a) und einem Schwierigkeitsgrad bis 5b+ besser bedient. Hier hatten wir noch einige Herausforderungen zu meistern.
Doch erstmal stiegen wir auf dem Wanderweg in Richtung Furtwangsattel hoch über den Windeggrücken. Immer schön im Zickzack durch die wunderschöne Berglandschaft mit fantastischem Ausblick auf den Triftgletscher. Bei Pt. 2226 sahen wir die andere Seilschaft, welche bereits auf dem Zaggengrat am Kraxeln war. So konnten wir uns gut orientieren und es war ein Einfaches, die Route Adlerblick zu finden.
Der Einstieg war zudem angeschrieben. Ein letztes Foto, ein letzter Schluck aus der Trinkflasche und ich stieg los in die erste der folgenden (ca.) 10 Seillängen. Die Berglandschaft um uns herum war einfach herrlich. Mit Blick auf den Triftgletscher, den Gletschersee, die Triftschlucht, den Dammastock und wie die Gipfel um uns herum noch so hiessen liess es sich herrlich klettern. Dazu musste man kein Adler sein. Der Blick frohlockte auch den Kletterer.
Nach den ersten drei Seillängen im fünften Grad, wurde es zunehmend einfacher. Es folgten fünf Seillängen im dritten und vierten Grad, ehe es zu einem T6 Gelände über Schrofen dem Gipfel zuging. Nochmals eine Dreierseillänge und bald erreichten wir den Gipfel auf 2'456m, welcher in den Karten als kleines Windegghorn verzeichnet ist.
Hier ruhten wir uns aus und liessen die Seele baumeln. Einen schöneren Gipfel konnte ich mir heute gar nicht vorstellen. Die traditionelle Schweizerfahne, welche auf eine Metallplatte gedruckt und an der Gipfelstange montiert ist, lies über den Standort keine Zweifel auf. Patriotismus am Gipfel, der irgendwie in diese Landschaft passte. Schweizerischer konnte man es in einem Bilderbuch über die Schweizer Berglandschaft wohl nicht verkörpern.
Der Abstieg im oberen Gipfelabschnitt erforderte unsere ganze Aufmerksamkeit. Nachdem wir das Couloir hinter uns gelassen hatten, konnten wir uns wieder mehr der Natur widmen. In der Zwischenzeit war es uns warm geworden und wir erinnerten uns an den kleinen See unterhalb des Zackengrates des Windegghorns. Wir sehnten uns schon danach unsere heissen Füsse darin abzukühlen.
Nachdem wir das kühle Wasserbecken mit Bergweltaussicht erreicht hatten, wurden dann nicht nur die Füsse abgekühlt. Es war einfach so schön, allein in der Berglandschaft unterwegs zu sein und sich in der Sonne zu entspannen.
Unsere Drink- und Essensvorräte gingen langsam zur Neige und wir machten uns auf den Rückweg zur Windegghütte, wo wir eine Brotzeit bestellten. Auch hier gilt es nochmals den grossartigen Ausblick auf die tolle Landschaft zu erwähnen, welche eine Brotzeit eben zu einem Erlebnis macht!
Schliesslich packten wir unsere Sachen zusammen und nahmen den Abstieg nach Sunnige Trift unter die Füsse. Eine Reservation und ein Ticket hinunter nach Schwendeli hatten wir nicht. Seit Tagen waren die Fahrten mit der Seilbahn am Nachmittag ausverkauft (!). Alles schien so, als ob wir die ganzen rund 900 Höhenmeter von der Hütte hinunter absteigen müssten.
Doch wir fragten an der Seilbahnstation nach und bekamen tatsächlich noch einen Platz in der kleinen Gondel. Ab und zu muss man eben auch Glück haben!
Zurück beim Auto, fuhren wir fast allein auf der Strasse über den wunderschönen Sustenpass. Die Fahrt in der Abendsonne ist mir besonders gut in Erinnerung geblieben. Die Farben waren einmalig und es herrschte für einmal keine Hetze auf der kurvenreichen Passstrasse.
Unser Domizil für die Nacht war das Gasthaus Bergheim in Gurtnellen. Ein einfaches Zimmer, dafür ein hervorragendes Cordon Bleu, Pommes Frites und Weissbier erwarteten uns. Eigentlich wollten wir am Tag darauf den Toni-Zimmermann-Weg in Erstfeld klettern.
Doch wir wussten bereits an diesem Abend, dass über Nacht eine Schlechtwetterfront eintreffen wird und wir am nächsten Morgen mit Regenschauern begrüsst würden. Also genossen wir noch den lauen Sommerabend im Garten des Gasthauses Bergheim.