Böshorn / Rauthorn Überschreitung

Überschreitung des Böshorns nach einer stürmischen Nacht im Biwak an den Sirwoltuseen.

Olli am Gipfel des Böshorn / Rauthorn (3’269m).
Olli am Gipfel des Böshorn / Rauthorn (3’269m).

Samstag, 10. September 2022

Schon wieder waren Dominik und ich auf dem Weg zum Simplonpass. Nachdem wir in letzter Zeit einige Touren in der Simplonregion unternommen hatten, kannten wir die Gegend sehr gut. Aufgefallen waren uns auch die tiefblauen Sirwoltuseen unterhalb des Sirwoltusattels. Die liebliche Gegend ist ein perfekter Biwakstandort mit „Wasserversorgung“ und sensationeller Rundumaussicht.

Die Seen liegen unterhalb des 3’269 Meter hohen Böshorns, das Ziel unseres Wochenendausfluges. Die Idee war, am ersten Tag zu den Seen hochzusteigen, am Nachmittag eine Wanderung zu unternehmen, nachts an den Seen zu Biwakieren und dann am nächsten Morgen auf das 3'269 Meter hohe Böshorn aufzusteigen.

Unterwegs im kanadischen Hochland ;-)
Unterwegs im kanadischen Hochland ;-)

Mit schweren Rucksäcken eilten wir noch durch Brig, um uns mit heimischen Wurst- und Käsewaren einzudecken. Um 11:36 Uhr fuhr das Postauto schliesslich hoch auf den Simplonpass.

Unsere Bergtour begann an der Bushaltestelle von Engeloch. Die Sonne schien und es war herrliches Spätsommerwetter. Wir liefen von der Strasse runter zum Ritzibach und machten erst mal Mittagspause. Die Hauswurst aus Rind, Schweinefleisch, Speck und Heidelbeeren schmeckte zusammen mit dem Briger Bergkäse vorzüglich. Auch ein Bierchen gab es sogar dazu. Obwohl wir noch gar nichts geleistet hatten, gönnten wir uns obendrauf auch noch ein Mittagsnickerchen in der wärmenden Sonne. Schliesslich war es Wochenende.


Um 13:30 Uhr starteten wir die Wanderung und marschierten über die Chluismatte hinauf zum Wysse Bode. Die Rucksäcke fühlten sich schwer an. Ich war es nicht mehr gewohnt mit geschätzten 18 Kilogramm Gewicht zu wandern. Früher, als ich regelmässig mit den Kindern in der Kraxe umherwanderte, war dies kein Thema. Doch heute spürte ich die Last im Rücken.

Aber glücklicherweise war unsere heutige Etappe kurz. Gerade mal 600 Höhenmeter. Wer wollte da Gewicht sparen und auf Comfort verzichten? Neben Zelt, Downmatt und Schlafsack hatte ich 3 Liter Wasser und 1 Liter Wein dabei. Zudem ein feines Abendessen und ein Dessert natürlich. Auch an warmen und trockenen Ersatzkleidern sollte es nicht fehlen.

Simplonpass mit Wasen-, Hübsch- und Breithorn.
Simplonpass mit Wasen-, Hübsch- und Breithorn.

Vorbei am eindrücklichen Ritzibachwasserfall, erreichten wir bald die Hochebene, wo sich die Sirwoltuseen und die Sirwoltuweiler befanden. Einige der Seen waren um diese Jahreszeit ausgetrocknet, der Sirwoltu Weiler hatte jedoch noch üppig Wasser.

Wir stellten unsere Zelte auf einer flachen Ebene bei Pt. 2411 auf und sortierten unsere Sachen. Dann begaben wir uns auf das 2’623 Meter hohe Wyssbodenhorn. War die Aussicht von dort oben auf den Simplonpass, das Hübschhorn, das vor zwei Wochen bestiegene Breithorn und auf die Sirwoltuseen so schön, aber auch so grausig kalt und stürmisch der Wind, der uns um die Ohren blies. 

Biwak an den Sirwoltuseen
Biwak an den Sirwoltuseen

Dieser pustete sich durch Mark und Bein und blies uns fast vom Berg runter. Wir stiegen daher bald wieder ab und genossen die letzten Sonnenstrahlen an einem windgeschützten Ort zwischen grossen Felsblöcken im Schotterhang.

Zurück beim Zelt bereiten wir das Abendessen zu. Es gab Couscous mit Datteln. Dazu den Rotwein und zum Dessert original Basler Leckerli. Für das Abendessen mussten wir uns jedoch ins Zelt verkriechen, zu windig und zu kalt war es draussen. In der Zwischenzeit hatten wir unsere langen Unterhosen, Pullover und Daunenjacken bereits angezogen.

Abendessen im Zelt. Draussen ist es windig und saukalt!
Abendessen im Zelt. Draussen ist es windig und saukalt!

Wirklich viel konnten wir an diesem windigen Abend nicht mehr unternehmen. Wir hatten uns eigentlich einen gemütlichen Abend unter dem Sternenhimmel vorgestellt; doch so waren wir um 20:00 Uhr schon im Schlafsack und jeder in seinem Zelt. Wir merkten es regelrecht der Natur um uns herum an: Der Sommer war vorbei und der Herbst mit seinen kühlen Temperaturen nahm Einzug.

Sonntag, 11. September 2022

Eine stürmische Nacht lag hinter uns. Immer wieder rüttelten Windböen an unseren Zelten und rissen uns aus dem Schlaf. So muss es sich wohl in Patagonien anfühlen. Doch da gibt es bestimmt noch weit mehr Herausforderungen als ein wenig Wind.

Blick auf den Kamm des Sirwoltehorns und im Hintergrund das Böshorn/Rauthorn. Der Aufstieg erfolgt über dessen Ostgrat.
Blick auf den Kamm des Sirwoltehorns und im Hintergrund das Böshorn/Rauthorn. Der Aufstieg erfolgt über dessen Ostgrat.

Unsere heutige Herausforderung war auch eher von der genüsslichen Sorte. Die Besteigung des Böshorns wird mit der Schwierigkeit T5+ und mit einigen Kletterstellen im 2. Schwierigkeitsgrad angegeben. Meiner Meinung nach falsch bewertet. Meiner Einschätzung nach wäre die richtige Klassifizierung T4 mit Stellen Klettern III. In der Hochtourenskala also WS-. 

Olli beim Sirwoltehorn. Im Hintergrund das Böshorn/Rauthorn.
Olli beim Sirwoltehorn. Im Hintergrund das Böshorn/Rauthorn.

Doch man muss nicht immer alles im Voraus wissen, was man antrifft. So hatten wir sicherheitshalber auch ein 30 Meter Seil, Pickel und den Helm mit eingepackt. Auch hatten wir die Abstiegsroute noch nicht festgelegt. Entweder zurück über den Ostgrat (und da wäre ein Seil hilfreich) oder den Abstieg über die Südwestflanke.

Dominik auf dem Sirwoltehorn. Unten der Sirwoltu Weiher.
Dominik auf dem Sirwoltehorn. Unten der Sirwoltu Weiher.

Nachdem wir die Zelte abgebaut und das Gepäck versteckt hatten, nahmen wir Kurs auf den Sirwoltusattel. Noch immer bliess der Wind unangenehm kalt und ich hatte all meine Kleider an. Bei Pt. 2'620 verliessen wir den Wanderweg und folgten fortan dem Kamm in Richtung Simpeler Weizstadel, besser bekannt als das Sirwoltehorn. 

Diese Route ist wirklich zu empfehlen, ist spassig zu gehen und bietet herrliche Rundumblicke. Die Besteigung des beeindruckenden Sirwoltehorns darf dabei natürlich nicht fehlen. Welch eine Aussicht hinunter zu den Sirwoltuseen hat man da!

Und nochmals Dominik auf dem Sirwoltehorn. Dieses mal aus der Perspektive vom Kam aus fotografiert.
Und nochmals Dominik auf dem Sirwoltehorn. Dieses mal aus der Perspektive vom Kam aus fotografiert.

Vom Sirwoltehorn folgten wir dem Grat bis Pt. 2'811, wo wir auf die Normalaufstiegsroute zum Böshorn trafen. Diese war fortan sehr gut mit Steinfrauen und Steinmännern markiert. Man bekam fast den Eindruck, dass hier oft Leute vorbeikommen, doch heute waren wir komplett allein unterwegs.

Vorbei an Pt. 3'022, erreichten wir oberhalb die zwischenzeitlich erbärmlichen Gletscherreste des Griessernuhorns den Ostgrats. Hier begann der Kraxelspass. Wie beschrieben, sind die Kletterpassagen im 2. oder 3. Schwierigkeitsgrad anzusiedeln. Und trotzdem… wer hier wieder absteigen will, muss das Abklettern beherrschen oder ein Seil mit dabeihaben (Abseilstelle mit Schlinge eingerichtet).

Das Böshorn/Rauthorn im Blickfeld. Es wird noch ein wenig bis zum Gipfel dauern.
Das Böshorn/Rauthorn im Blickfeld. Es wird noch ein wenig bis zum Gipfel dauern.

Leider war der Spass nur von kurzer Dauer und schon standen wir auf dem Böshorn, welches in der Literatur auch als Rauthorn bezeichnet wird. Das wirft einige Fragen auf? Wieso hat der Gipfel zwei (deutschsprachige) Namen und wieso soll das Horn böse sein?

Statt Bosheit erlebten wir Schönheit. Der Blick auf das schneebedeckte, knapp 4'000 Meter hohe Fletschhorn, war wunderschön und sollte sich in jeder Bergfotosammlung wiederfinden. Und auch der bekannte Blick auf den Simplonpass ist immer wieder faszinierend.

Noch einige Kletterstellen...
Noch einige Kletterstellen...
...und schon erreicht man das Gipfelkreuz.
...und schon erreicht man das Gipfelkreuz.

Der Wind zwang uns zum Weitergehen. Dank ihm hatten wir traumhaftes Wetter – aber eben auch kalte Glieder. Einen Blick auf die Südwestflanke zeigte, dass ein Abstieg möglich und vertretbar war. Einige Passagen würden steil sein, aber ein grobes Steinschlagrisiko konnte ausgeschlossen werden.

So stiegen wir über das riesige Schotterfeld in einer ausgedehnten Südkurve hinunter zu Pt. 2'783. Erst hier machten wir eine Mittagspause und verpflegten uns mit dem mitgenommenen Lunch. 

Blick auf das mächtige Massivs des Fletschhorns (3'985m)
Blick auf das mächtige Massivs des Fletschhorns (3'985m)

Vorbei am kleinen Gletschersee, wo die Gamsa entsteht, stiegen wir stetig ab. Danach versuchten wir immer der 2'600 Höhenlinie zu folgen und steuerten dabei den Höhenweg bei Lauine unterhalb des Sirwoltuhorns an. Dies gelang uns sehr gut ohne Höhe zu verlieren. Doch der Weg über das weitläufige Geröllfeld war anstrengend.

Schliesslich trafen wir auf den Höhenweg und folgten diesem zurück zum Sirwoltusattel. Auf dem Wanderweg ging es dann zurück zu den Sirwoltuseen, wo wir unser deponiertes Gepäck abholten. Mit wiederum schwerem Gepäck auf dem Rücken stiegen wir hinab zum Wyssbode und schliesslich nach Chluismatte.

Schuttiger Abstieg zu Pt. 2'783. Beim kleinen Gletschersee, entsteht die Gamsa.
Schuttiger Abstieg zu Pt. 2'783. Beim kleinen Gletschersee, entsteht die Gamsa.

Die Zeit reichte gerade noch, um die Füsse im Ritzibach abzukühlen, ehe der Bus um 15:41 Uhr vom Engeloch in Richtung Brigger Bahnhof losfuhr. Gespannt spurteten wir in Brig in den Bahnhofsshop. Wie immer hielten wir Ausschau nach dem guten Suonen-Bier im Kühlfach. Und tatsächlich… es gab es wieder. Genüsslicher kann man auf eine so schöne Tour im Zug auf der Heimreise nicht anstossen.

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