Bristen (3'073m)
Nach einem Sommerbiwak am Bristensee auf den markanten Bristenstock der Glarner Alpenkette.
Donnerstag, 06. Juli 2017
Es war wieder mal an der Zeit, eine solo Bergtour in Angriff zu nehmen. Möglichst ausgefallen, fordernd, fern ab vom Mainstream Outdoor-Hype und trotzdem alleine zu bewältigen. Den Bristen hatte ich schon lange im Visier, dominiert er doch majestätisch vor dem Gotthardportal in den Süden. Wenn man auf der Autobahn in Richtung Schattdorf und Erstfeld einschwenkt ist er unverkennbar und zieht zu jeder Jahreszeit seinen Blick auf sich.
Dass dies ein schöner Berg ist, untermauert nicht nur die Tatsache, dass asiatische Touristen beim Halt an der Gotthardnord-Raststätte unmittelbar nach dem Aussteigen des Reisebusses mit Knipsen beginnen, nein auch in der Literatur ist er kein Unbekannter. Also doch nicht so einsam?
Damit es einsam war, plante ich die Tour an einem Donnerstag und Freitag. Ich wollte zwei Tage gehen und auf dem Gipfel biwakieren. Das Wetter passte perfekt. Es war gerade eine Schönwetterperiode und die Temperaturen sollten nachts auf dem Gipfel nicht unter 10 Grad Celsius fallen. Auch keine Gewitter waren angekündigt: Alles perfekt!
Ich recherchierte lange, welche Route ich wählen sollte. So gibt es eine interessante und wenig begangene von Süden her über die Pörtlilücke. Von da aus geht es über den Südgrat auf den Gipfel. Doch alleine im 3. Grad über 30 Meter Klettern war mir dann mit dem schweren Rucksack doch ein wenig zu heikel. Immerhin hatte ich Schlafsack, Mätteli, Biwaksack, Daunenjacke und Essen dabei. Nicht zu vergessen meine Fotoausrüstung mit Stativ! Ich wollte unbedingt nachts Fotoaufnahmen vom Sternenhimmel machen.
Nach der Analyse diverser Routen entschied ich mich von der Ortschaft Bristen (heisst gleich wie der Gipfel) aus zu starten und die Zustiegsvariante vom Etzlital zu nehmen. Da dies als alpiner Weg ausgeschildert war, hoffte ich auf weniger Artgenossen. Über den Lauchergrat soll es dann auf den Rot Bristen (2'765m) und weiter auf den Hauptgipfel des Bristenstocks auf 3'073m gehen.
Um diese Jahreszeit hatte ich mehr als genügend Zeit um mein Ziel zu erreichen. Es lagen zwar immerhin 2'300 Höhenmeter vor mir, doch bis 22:00 Uhr würde es genügen hell sein, um über den Grat zu kraxeln. Ich fuhr entsprechend gemütlich um 10:00 Uhr los bis nach Amsteg. Dort gab es im Restaurant Hirschen was zum Mittagessen.
Die Strasse hinauf nach Bristen war abenteuerlich. Anscheinend ist es nicht erlaubt die Strasse zu benutzen, wenn das Postauto unterwegs ist! Zum Glück lag meine Anfahrt zufällig dazwischen. Nach zahlreichen Haarnadelkurven erreichte ich den Ort. Ich war erstaunt wie lebendig es dort zu und her ging. Restaurants hatten geöffnet und auch ein kleiner Einkaufsladen war vorhanden. Von anderen Berichten entnahm ich oft, dass der Ort komplett ausgestorben wäre und man nicht einkaufen könne. Ich wusste also nun, wo ich am nächsten Tag mein Tourenbier bekam!
Ich startete um 13:00 Uhr. Nach einer Weile ging es gleich streng hinauf dem Etzlibach entlang. Schliesslich durch einen schönen Wald mit viel Farn bis die Hochebene, wo es auf einer breiten Kiesstrasse weiterging. Bei Porthüsler (1'235m) zweigte der alpine Wanderweg hinauf zur Laucherlückli (2'200m) ab. Nun ging es steil hoch. Zum Glück verlief etwa die Hälfte des Weges im lichten Wald, welcher mir vor der starken Sonne Schatten spendete. Mir wurde bald bewusst, dass die Route von Osten her viele Vorteile hatte und an diesem heissen Sommertag die bessere Wahl war. Alleine war ich hier jedoch nicht. Zahlreiche Schafe schritten vor mir den Pfad hinauf. Anstatt dass das Leitschaf die Herde auf die Seite lenkte, wackelte vor mir eine nervöse Bande von wollenen Vierbeinern, welche fortan auf meinen Weg kackten! Nach der Waldgrenze war schliesslich mehr Platz und ich konnte gefolgt von doofen Blicken die Herde passieren.
Um 16:00 Uhr erreichte ich die Laucherlückli und den nur wenige Meter daneben liegenden Chli Bristen (2'202m). Die Aussicht war phantastisch! Zum einen der Blick auf den Bristensee zum anderen auf den Laucherngrat, der von hier hoch um Bristen abzweigt. Ich entschloss mich zum Bristensee abzusteigen. Ein Bad und eine Erfrischung in der Bristenseehütte würde mir guttun. Zeit hatte ich ja noch reichlich.
Als ich den lieblichen Bristensee erreichte, fand ich es da so schön, dass ich entschloss, die Nacht hier und nicht auf dem Gipfel zu verbringen. Das tiefblaue Wasser mit den saftigen Wiesen herum und dem Plätschern der zahlreichen Bachläufe taten es mir an. Zudem hatte es den Vorteil, dass ich nicht meine ganze Ausrüstung auf den Gipfel hochschleppen musste. Auch hier würden mir tolle Fotoaufnahmen gelingen.
Doch erst machte ich mich auf zur Bristenseehütte. Zuvor hatte ich mit dem netten Hüttenwart Werner Jauch telefoniert und abgeklärt, ob man dort Getränke kaufen könnte. Faul wie ich war, wollte ich nicht für zwei Tage Flüssigkeit mittragen. Zudem spekulierte ich auf Bier oder ein Flasche Wein.
Es war unglaublich aber war: Ich war alleine dort. Ist es nicht toll unter der Woche in die Berge zu gehen? Der Getränkevorrat war aufgefüllt, der Hüttentisch und die Hüttenbank draussen aufgestellt und die Sonne gab ihr bestes. Doch bevor ich mich hinsass ging ich noch (kurz!) im Bristensee baden. So konnte ich meinen Schweiss runterwaschen, bevor ich mich wieder mit Sonnencreme einölen musste.
Die nächsten Stunden verbrachte ich vor der Hütte in wundervoller Einsamkeit. Kein Wölkchen am Himmel und nur mässiger Wind. Das würde eine tolle Biwaknacht werden! Kurz nach 20:30 Uhr, als ich schon am Zusammenpacken war, kam doch noch ein Pärchen auf die Hütte. Auch sie würden am nächsten Morgen den Gipfelanstieg antreten.
Ich war in der Zwischenzeit von der Sonne, dem Wein und dem Aufstieg so müde, dass ich am See mein Biwak aufstellte und sogleich einschlief. Erst um 02:00 Uhr wachte ich auf und konnte fortan den Sternenhimmel beobachten. Leider war es diesig und die Sterne schienen weit weg. Zwar konnte ich zahlreiche Sternschnuppen beobachten, doch für ein gelungenes Milchstrassenfoto waren die Verhältnisse nicht gegeben.
Freitag, 07. Juli 2017
Die Zeit bis 03:00 Uhr verbrachte ich den Sternenhimmel beobachtend im Schlafsack. Dann packte ich zusammen und deponierte meine für den Gipfel nicht benötigten Dinge in der Hütte. Meine Bekanntschaft von gestern war bereits unterwegs. Von Weitem konnte ich das Licht ihrer Stirnlampen erkennen. Auch ich machte mich auf den Weg.
Der Einstieg auf den Laucherngrat befindet sich ein gutes Stück oberhalb des Bergkegels und ist durch einen grossen weissen Pfeil markiert. Für den Weg dahin folgte ich den Steinmännchen, welche mit zunehmender Distanz immer seltener wurden.
Bald passierte ich den von der Hütte aus erkennbaren grossen weissen Pfeil. Nach der Traverse eines Schneefeldes gelangte ich auf den Grat. Hier erschreckte mich ein grosses, wolliges Wesen mitten auf dem Pfad.
Ich erschrak ganz schön, hatte ich hier doch nicht mit einem Lama gerechnet. Nun war ich definitiv wach und konnte mich fortan auf den schmalen Pfad konzentrieren. Immer wieder waren Klettereinlagen bis zum dritten Schwierigkeitsgrad zu meistern. Vermutlich wäre es auch einfacher gegangen, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich immer wieder von der Ideallinie des Grates abkam und über Klettereinlagen auf den eigentlichen Weg zurückkraxeln musste. Aber in der Dunkelheit ist es manchmal trotz Stirnlampe schwierig den richtigen Weg in der Fülle der zahlreichen Trampelpfade zu finden.
Nach zwei Stunden traf ich am sehr schlichten Gipfelkreuz, bestehend aus zwei zusammengebundenen Felsriegeln, ein. Dass Pärchen, welches auf der Hütte übernachtete, war bereits dort und wartete frierend auf den Sonnenaufgang. Lange würde es nicht mehr dauern, es war bereits halb sechs Uhr und der Horizont erhellte.
Als die Sonne schliesslich hervorkam, waren bereits einige Wolken zur Stelle, welche dem perfekten Sonnenaufgang einen Strich durch die Rechnung machten. Doch schön war es allemal, obwohl wir auf ein bisschen Wärme verzichten mussten. Entsprechend beschlossen wir alle bald wieder abzusteigen.
Für den Abstieg zurück zu Hütte benötigte ich 1:10 Stunden. Dies reichte der Sonne jedoch nicht sich gegen die Wolken durchzusetzen. Als ich auf der Hüttenterrasse frühstückte war es immer noch unangenehm frisch. Daraufhin kochten wir uns einen Kaffee, um wenigstens die innere Sonne zu wecken. Wenig später tat schliesslich auch die Wolkendecke auf und liess das wärmende Licht durch.
Um 09:00 Uhr trat ich den Abstieg an. Als Alternative zum Aufstieg wählte ich die Route über Blacki, Bristenstäfeli, Hagglisbergwald, Breitlaui und unter der Flue, wo schliesslich mein Auto stand (ca. 2 Stunden Abstiegszeit). Eine tolle Rundwanderung mit einer 3'000er Begehung, einem Biwak, tolles Sommerwetter und der gewünschten Einsamkeit ging hiermit zu Ende. Der Bristen ist nicht einfach ein Berg, aufgrund seiner Aufstiegshöhe und Prominenz ist er auch eine sportliche Herausforderung, welche am Gipfel mit einer sensationellen Aussicht belohnt wird.
Vor der Rückfahrt tauchte ich noch in den kalten Etzlibach ein, um sicherzustellen, dass ich auch genügend wach für die Heimfahrt war.